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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Zeit und mehr hinweg in Erregung versetzen kann?
    Ich glaube nicht – und nicht aus Diskretion oder Anstand. Helenas Schönheit spottet einfach meiner armseligen Beschreibungsgabe. Ich hatte die Brüste so vieler Frauen gesehen; waren Helenas weiche, volle Brüste in irgendeiner Hinsicht einzigartig? Waren das dunkle Haardreieck zwischen ihren Schenkeln vollkommener, die blassen, muskulösen Schenkel erregender und ihre milchig weißen Pobacken, ihr kräftiger Rücken und die schmalen Schultern faszinierender als die der anderen?
    Ja, natürlich. Aber ich bin nicht der Mann, der Ihnen den Unterschied erklären könnte. Ich war ein unbedeutender Gelehrter und – in meinen Fantasien in meinem verlorenen Leben – vielleicht ein Romanschriftsteller. Doch man müsste schon ein besserer Dichter als Homer, Dante und sogar Shakespeare sein, um Helenas Schönheit gerecht zu werden.
    Ich verließ das Bad, trat in die Kühle einer leeren Terrasse vor ihrem Schlafzimmer hinaus und berührte das schmale Armband, mit dessen Hilfe ich andere Gestalt annehmen konnte. Die Bedienungsfläche des Armbands leuchtete nur auf, wenn ich es aktivierte, aber sie reagierte mit Symbolen und Bildern auf meinen Daumen. In dem Armband waren die Morphdaten aller Männer gespeichert, die ich in den vergangenen neun Jahren aufgezeichnet hatte. Theoretisch hätte ich mich auch in eine Frau verwandeln können, aber ich hatte nie einen Grund dazu gehabt, und in dieser Nacht schon gar nicht.
    Was das Morphen betrifft, so müssen Sie eins verstehen: Es ist keine Umformung von Molekülen, Stahl, Fleisch und Knochen in andere Gestalt. Ich habe keine Ahnung, wie das Morphen funktioniert, obwohl ein kurzlebiger Scholiker aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert namens Hayakawa mir vor fünf oder sechs Jahren seine Theorie zu erklären versuchte. Hayakawa kam immer wieder auf die Erhaltung von Materie und Energie zu sprechen – was immer das sein mag –, aber ich habe diesem Teil seiner Ausführungen nur wenig Beachtung geschenkt.
    Augenscheinlich findet das Morphen auf der Quantenebene statt. Ist das bei diesen Göttern nicht immer so? Hayakawa meinte, ich solle alle anwesenden Menschen, einschließlich ihm selbst und mir, als stehende Wahrscheinlichkeitswellen betrachten. Auf der Quantenebene, sagte er, existierten Menschen – wie alles andere im physikalischen Universum – immer von einem Moment zum nächsten, und zwar als so etwas wie eine brechende Wellenfront – Moleküle, Erinnerung, alte Narben, Gefühle, Schnurrbärte, Bieratem, alles. Diese Armbänder, die wir von den Göttern bekommen hätten, zeichneten Wahrscheinlichkeitswellen auf und erlaubten uns, die Originale zu unterbrechen und zu speichern – und für kurze Zeit unsere eigenen Wahrscheinlichkeitswellen mit den gespeicherten zu verschmelzen, unsere eigenen Erinnerungen und unseren Willen beim Morphen in einen neuen Körper mitzunehmen. Wieso das nicht gegen Hayakawas heiß geliebte Erhaltung von Masse und Energie verstieß, weiß ich nicht … aber er behauptete es steif und fest.
    Da wir uns also die Gestalt und die Handlungen eines anderen aneigneten, morphten wir Scholiker fast immer zu Randfiguren des Kampfes um Troja, zu Statisten wie dem namenlosen Leibwächter, dessen Gestalt ich nach der von Dolon angenommen hatte. Hätten wir uns beispielsweise in Odysseus, Hektor, Achilles oder Agamemnon verwandelt, sähen wir zwar so aus wie sie, verhielten uns aber wie wir – weit minderwertiger als der heroische Charakter der echten Person –, und mit jeder Minute in dieser fremden Gestalt würden wir die Abweichung von den echten Ereignissen in dieser sich entwickelnden Realität verstärken, die abweichende Parallelen zur Ilias formte.
    Ich habe keine Ahnung, wohin die echte Person verschwand, wenn wir ihre Gestalt annahmen. Vielleicht schwappte ihre Wahrscheinlichkeitswelle einfach auf der Quantenebene herum, ohne zu dem zusammenzubrechen, was wir Realität nennen, bis wir ihr wieder ihre eigene Gestalt und Stimme zurückgaben. Vielleicht wurde die Wahrscheinlichkeitswelle dieser Person in dem Armband gespeichert, das wir trugen, oder im Mikrochip einer Maschine oder eines Gottes auf dem Olympus Mons. Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht besonders. Kurz bevor Hayakawa das Missfallen der Muse erregte und endgültig verschwand, fragte ich ihn einmal, ob wir uns mit dem Morpharmband auch in einen der Götter verwandeln könnten. Hayakawa lachte und sagte: »Die Götter

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