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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gewünscht, dass Harman heute Nacht zu ihr käme. »Tür auf«, flüsterte sie, trat zurück und bemerkte im Spiegelbild an der Wand, wie milchig ihre Arme und das dünne Gewand im Mondschein aussahen.
    Harman trat ein und blieb an der Tür stehen, als Ada ihr im Flüsterton befahl, sich wieder zu schließen. Er trug nur einen Pyjama aus blauer Seide. Sie wartete darauf, dass er sie in den Arm nahm, hochhob und zum weichen Bett an der durchsichtigen, gekrümmten Wand trug. Wie würde es sein, miteinander zu schlafen, als würde man über diesen Wolken, diesen Bergen schweben?
    »Ich muss mit dir reden«, sagte Harman leise.
    Ada nickte.
    »Ich glaube, es ist wichtig, dass Odysseus in den nächsten paar Wochen am richtigen Ort ist«, sagte er. »Und ich glaube, im Kabäuschen von Hannahs Mutter ist er fehl am Platz.«
    Ada kam sich töricht vor. Sie verschränkte die Arme vor ihren Brüsten und bildete sich ein, die kalte Nachtluft der hohen Berge durch das Glas unter ihren Füßen zu spüren. »Du weißt nicht, was Odysseus vorhat, und warum«, flüsterte sie.
    »Nein, aber wenn er wirklich Odysseus ist, könnte es sehr wichtig sein. Und Savi hat Recht … Ardis Hall ist genau der richtige Ort für ihn, um mit Menschen zusammenzutreffen.«
    Ada merkte, wie sie wütend wurde. Was bildete sich dieser Kerl ein, ihr zu sagen, was sie tun sollte? »Wenn du es so wichtig findest, dass er irgendwo aufgenommen wird«, sagte sie, »weshalb lädst du ihn dann nicht als deinen Gast zu dir nach Hause ein?«
    »Ich habe kein Zuhause«, sagte Harman.
    Verblüfft versuchte Ada zu verstehen, was er meinte. Es gelang ihr nicht. Jeder hatte ein Zuhause.
    »Ich bin seit vielen Jahren auf Reisen«, erklärte Harman. »Ich besitze nur das, was ich bei mir trage, abgesehen von meiner Büchersammlung; die lagert in einem kleinen, leeren Zimmer in Paris-Krater.«
    Ada öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ihr fiel nichts ein. Harman trat einen Schritt näher an sie heran, so nah, dass Ada sein Duft in die Nase stieg; er roch männlich und nach Seife. Er hatte ebenfalls geduscht, bevor er zu ihr gekommen war. Werden wir nach diesem Gespräch miteinander schlafen?, dachte Ada und merkte, dass ihre Wut ebenso schnell verflog, wie sie gekommen war.
    »Ich muss mit Savi zum Mittelmeerbecken«, sagte Harman. »Seit über sechzig Jahren suche ich eine Möglichkeit, zu den Ringen zu gelangen, Ada. Jetzt, wo ich so nah daran bin … nun, ich muss dorthin.«
    Ada spürte, wie ihr Zorn wieder aufflammte. »Aber ich will mitkommen. Ich will dieses Becken sehen … will ein Raumschiff finden und zu den Ringen fliegen. Deshalb habe ich dir in den letzten Wochen geholfen.«
    »Ich weiß«, sagte Harman leise. Er fasste sie am Arm. »Und ich möchte auch, dass du mitkommst. Aber diese Sache mit Odysseus könnte wichtig sein.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Und Hannah kennt einfach nicht so viele Leute. Und sie hat auch nicht genug Platz, um Gäste bei sich aufzunehmen.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Und Ardis Hall wäre wirklich genau das Richtige«, flüsterte Harman. Er löste seinen sanften Griff um Adas Arm, hielt sie jedoch weiterhin mit seinem Blick fest. Ada war sich der Sterne draußen über der durchsichtigen, gekrümmten Decke bewusst.
    »Ich weiß, dass Ardis Hall genau das Richtige wäre.« Ada war traurig; sie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Notwendigkeiten und Menschen. »Aber wir wissen doch nicht einmal, was dieser Odysseus will … oder wer er wirklich ist.«
    »Stimmt«, sagte Harman leise. »Aber das finden wir am ehesten heraus, wenn du ihn bei dir aufnimmst, während ich im Mittelmeerbecken nach dem Raumschiff suche. Wenn ich eins finde, das uns zu den Ringen bringen kann, hole ich dich, bevor ich dorthin fliege. Das verspreche ich dir.«
    Ada zögerte mit ihrer Antwort. Ihr Gesicht war ein wenig zu dem von Harman erhoben, und sie hatte das Gefühl, dass er sie küssen würde, wenn sie weiterhin schwieg.
    Plötzlich zuckte ein Blitz auf, und der Donner des abziehenden Gewitters ließ die grüne Glaskonstruktion erbeben. »In Ordnung«, sagte Ada. »Ich nehme Odysseus drei Wochen lang in Ardis Hall auf und hole Hannah für diese Zeit zu mir, damit sie mir hilft. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du mich zu den Ringen mitnimmst, falls du eine Möglichkeit findest, dorthin zu gelangen.«
    »Versprochen«, sagte Harman. Dann küsste er sie wirklich, aber nur auf die Wange und nur so, wie es ihr Vater vielleicht getan

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