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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sein Plan, Ada noch an diesem Wochenende zu verführen, gelingen sollte, musste er jede freie Minute mit ihr verbringen. Verführung, das wusste er, war eine Wissenschaft und eine Kunst zugleich – eine Mischung aus Geschick, Disziplin, Nähe und Gelegenheit. Vor allem Nähe.
    Wenn er neben ihr stand oder neben ihr herging, spürte Daeman die Wärme ihrer Haut durch die schwarze und braune Seide, die sie trug. Ihre Unterlippe war aufreizend voll, bemerkte er nach einem Jahrzehnt erneut, rot und wie zum Hineinbeißen geschaffen. Als sie den Arm hob, um Harman und Hannah auf die Höhe der Regale in der Bibliothek aufmerksam zu machen, beobachtete Daeman die subtile, leichte Bewegung ihrer rechten Brust unter der dünnen Hülle aus Seide.
    Er war schon einmal in einer Bibliothek gewesen, aber noch nie in einer so großen. Der Raum musste über dreißig Meter lang und etwa halb so hoch sein. Ein Zwischengeschoss lief um drei Wände herum, und auf beiden Etagen gewährten Schiebeleitern Zugang zu den Büchern weiter oben, die sonst unerreichbar gewesen wären. Es gab Alkoven, Kämmerchen, Tische mit großen, aufgeschlagenen Büchern darauf, im Raum verstreute Sitzgelegenheiten, und selbst über dem riesigen Panoramafenster an der gegenüberliegenden Wand waren Bücherregale. Daeman wusste, dass die materiellen Bücher, die hier aufbewahrt wurden, vor vielen, vielen Jahrhunderten, wahrscheinlich sogar Jahrtausenden mit Nanochemikalien behandelt worden sein mussten, damit sie nicht vermoderten – diese nutzlosen Artefakte bestanden aus Leder, Papier und Tinte, um Himmels willen –, aber der mahagonivertäfelte Raum mit seinen Lichtinseln, den alten Ledermöbeln und trübsinnigen Bücherwänden roch für Daemans empfindliche Nase trotzdem nach Alter und Verfall. Es war ihm ein Rätsel, weshalb Ada und die anderen Familienangehörigen dieses Mausoleum in Ardis Hall behielten, oder weshalb Harman und Hannah es an diesem Abend sehen wollten.
    Der Mann mit den lockigen Haaren, der behauptete, in sein letztes Lebensjahr einzutreten und in den atlantischen Bruch hineingegangen zu sein, blieb erstaunt stehen. »Das ist wundervoll, Ada.« Er stieg auf eine Leiter, fuhr damit an einer Reihe von Regalen entlang und strich mit der Hand über einen dicken Lederband.
    Daeman lachte. »Glaubst du, die Lesefunktion sei zurückgekehrt, Harman Uhr?«
    Der Mann lächelte, machte dabei jedoch einen so selbstbewussten Eindruck, dass Daeman eine Sekunde lang halb damit rechnete, den goldenen Strom von Symbolen über seinen Arm laufen zu sehen, mit dem die Lesefunktion den Inhalt anzeigte. Daeman hatte die erloschene Funktion natürlich noch nie in Aktion gesehen, aber seine Großmutter und andere alte Leute davon erzählen hören, was ihre Ur-Urgroßeltern besessen hatten.
    Es flossen jedoch keine Worte. Harman zog die Hand zurück. »Würdest du nicht gern über die Lesefunktion verfügen, Daeman Uhr?«
    Daeman hörte sich an diesem merkwürdigen Abend erneut lachen und war sich deutlich bewusst, dass die beiden jungen Frauen ihn mit teils verwirrter, teils neugieriger Miene ansahen.
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete er schließlich. »Weshalb sollte ich? Glaubst du, diese alten Schwarten könnten mir irgendetwas erzählen, was für unser heutiges Leben relevant wäre?«
    Harman stieg die Leiter noch etwas höher hinauf. »Bist du nicht neugierig, warum man keine Nachmenschen mehr auf der Erde findet und wohin sie gegangen sind?«
    »Ganz und gar nicht. Sie sind heimgegangen, zu ihren Städten in den Ringen. Das weiß doch jeder.«
    »Weshalb?«, fragte Hatman. »Warum sind sie verschwunden, nachdem sie sich viele tausend Jahre lang um unsere Angelegenheiten hier gekümmert und über uns gewacht haben?«
    »Unsinn«, sagte Daeman vielleicht ein bisschen schroffer als beabsichtigt. »Die Nachmenschen wachen auch jetzt noch über uns. Von oben.«
    Harman nickte, als wären ihm plötzlich die Augen aufgegangen, und schob seine Leiter in ihrer Messingschiene ein paar Meter weiter. Der Kopf des Mannes stieß jetzt fast schon an die Unterseite des Bibliothekszwischengeschosses. »Und was ist mit den Voynixen?«
    »Was soll mit den Voynixen sein?«
    »Hast du dich schon einmal gefragt, weshalb sie so viele Jahrhunderte reglos waren und jetzt so aktiv sind?«
    Daeman öffnete den Mund, hatte aber nichts dazu zu sagen. Einen Moment später brachte er heraus: »Diese Geschichte, dass sich die Voynixe vor dem letzten Fax nicht bewegt hätten, ist

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