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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Arm. Eine Sekunde lang stand der Voynix einfach nur da, anscheinend ebenso schockiert über Odysseus’ Verhalten wie die vier Menschen, aber dann geriet die obere Körperhälfte der Kreatur ins Rutschen, kippte und fiel mit wild fuchtelnden Armen zu Boden. Die untere Hälfte des Rumpfes und die Beine blieben noch etliche Sekunden stehen, bevor sie ebenfalls ins Gras fielen.
    Eine Weile war nichts zu hören außer dem Wind im hohen Gras. Dann rief Harman: »Warum, zum Teufel, hast du das getan?« Eine blaue Flüssigkeit, dick wie Blut, war überall.
    Odysseus wischte sein Schwert im Gras ab und zeigte auf den rechten Arm des Voynix, der noch mit dem Rumpf verbunden war. »Er hatte seine Tötungsklingen draußen.«
    Es stimmte. Als die vier sich um den gefallenen Voynix versammelten, sahen sie, dass er anstelle der üblichen Manipulatorgreifer die Klingen ausgefahren hatte, mit denen er ansonsten Menschen gegen Bedrohungen wie Dinosaurier verteidigte.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Ada.
    »Er hat dich nicht erkannt«, meinte Hannah und trat einen weiteren Schritt von dem Bärtigen weg. »Vielleicht dachte er, du wärst eine Bedrohung für uns.«
    »Nein.« Odysseus steckte sein Kurzschwert wieder in die Scheide.
    Daeman starrte entsetzt und fasziniert zugleich auf die Schnittfläche, die durch den Leib des Voynix verlief – weiche weiße Organe, zahllose blaue Röhrchen, Trauben von Gebilden, die wie rosa Weinbeeren aussahen … und er hatte immer geglaubt, das Innenleben eines Service-Voynix bestünde aus einem Uhrwerkmechanismus und anderen maschinellen Vorrichtungen. Es fehlte nicht viel, und Daeman hätte angesichts des abrupten Ausbruchs von Gewalt und der nun sichtbaren weißen Innereien die Kontrolle über sein nervöses Gedärm verloren.
    »Kommt«, hatte er gesagt und sich mit schnellen Schritten Richtung Ardis Hall in Bewegung gesetzt. Die anderen hatten fälschlicherweise gedacht, er wolle die Führungsrolle übernehmen, und waren ihm gefolgt.
     
    Erst nachdem Daeman auf die Toilette gegangen war, ausführlich geduscht, sich rasiert und dem nächsten Ardis-Servitor befohlen hatte, ihm neue Kleidung zu bringen, und dann auf der Suche nach etwas Essbarem in die Küche geschlendert war, erkannte er, dass es Wahnsinn war, die Reise mit Harman und der verrückten alten Frau fortzusetzen. Was sollte dabei herauskommen?
    Ardis Hall hatte sich trotz oder vielleicht gerade wegen Adas Abwesenheit mit Freunden gefüllt, die hergefaxt waren, um ihr einen Besuch abzustatten und eine Party zu feiern. Die Servitoren hielten sie mit Speisen und Getränken bei Laune. Junge Leute – darunter mehrere schöne junge Frauen, die Daeman von anderen Partys, anderen Orten, aus seinem glücklichen Leben vor Harman und all diesem Unsinn kannte – spielten auf der weiten, sanft abfallenden Rasenfläche Boccia und Korbball. Es war ein wunderschöner Abend, lange Schatten lagen auf dem Gras, Gelächter wehte glockenhell durch die Luft, und das Abendessen wurde von Servitoren an der langen Tafel unter der riesigen Ulme aufgetragen.
    Daeman wurde bewusst, dass er hier bleiben und eine anständige Mahlzeit nebst einer ordentlichen Mütze Schlaf bekommen oder – noch besser – sich einen Voynix für die kurze Karriolenfahrt zum Faxportal holen und in dieser Nacht nach einem von seiner Mutter zubereiteten späten Abendessen in seinem eigenen Bett in Paris-Krater schlafen konnte. Seine Mutter fehlte ihm; er hatte schon seit über zwei Tagen nichts mehr von ihr gehört. Er musterte den Voynix auf der gebogenen Auffahrt an der Seite des großen Hauses und verspürte einen Anflug von Nervosität – es war ungerechtfertigt und verrückt gewesen, dass Odysseus den Voynix kaputtgemacht hatte. Man beschädigte oder zerstörte keine Voynixe, ebenso wenig wie man eine Droschke anzündete oder das eigene Domi demolierte. Es ergab keinen Sinn, und es war ein weiterer Grund, weshalb er sich sofort von diesen Leuten trennen sollte.
    Als er auf die Auffahrt hinauskam, sah er Harman und Ada, die an einer Seite leise, aber eindringlich miteinander sprachen. Weiter unten auf der hügeligen Rasenfläche sah er, wie Hannah einige neugierige Gäste mit Odysseus bekannt machte. Die Voynixe wahrten großen Abstand zu dem bärtigen Mann, aber Daeman hatte keine Ahnung, ob das Zufall oder Absicht war. Kommunizierten Voynixe miteinander? Und wenn ja, wie? Daeman hatte noch nie gehört, dass einer von ihnen einen Laut von sich gab.
    Er winkte einem Voynix,

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