Ilium
Herrscher seiner fernen Stadt, verwundet ihn aber nur. Noch während Lykophontes’ Hauptleute ihm zu Hilfe eilen, jagt Teukros dem Gefallenen einen zweiten Pfeil in die Leber.
Als nächstes stirbt Polyaimons Sohn, Amopaon; Teukros’ Pfeil durchbohrt ihm den Hals. Blut spritzt anderthalb Meter hoch, und der starke Amopaon versucht aufzustehen, aber der Pfeil hat ihn am Boden festgenagelt, und er verblutet in weniger als einer Minute; sein krampfhaftes Gezappel wird schwächer und schwächer. Die Achäer jubeln. Ich kenne … kannte Amopaon. Der Trojaner hat häufig in dem kleinen Freiluftrestaurant gegessen, wo Nightenhelser und ich uns gern getroffen haben, und wir haben oft über Belanglosigkeiten geplaudert. Einmal hat er mir erzählt, sein Vater, Polyaimon, habe Odysseus aus freundlicheren Zeiten gekannt; als Polyaimon einmal nach Ithaka gereist und mit den befreundeten Griechen zur Jagd gegangen sei, habe er einen wilden Bären getötet, der eine tiefe, blutige Wunde in Odysseus’ Bein gerissen habe und ihn getötet hätte, wenn Polyaimons Speerwurf sein Ziel verfehlt hätte. Amopaon erzählte mir, Odysseus trage diese Narbe bis auf den heutigen Tag.
Ajax duckt sich, hält seinen massiven Metallschild wie ein Dach über sich und seinen Halbbruder, und trojanische Pfeile klappern darauf. Ajax steht auf, hebt den Schild, und Teukros tötet den achtzig Meter entfernten Melanippos mit einem Pfeil, der dem Mann in den Unterleib fährt und aus seinem Anus austritt, als der Trojaner fällt. Seine Kameraden treten beiseite und verziehen das Gesicht, als Melanippos sich am Boden windet und stirbt. Die Achäer jubeln erneut.
Agamemnon schwingt sich von seinem Streitwagen und ruft Teukros ein paar aufmunternde Worte zu; er verspricht dem Bogenschützen, sich gleich nach ihm einen Dreifuß oder ein reinrassiges Pferdegespann aussuchen zu dürfen – falls Zeus und Athene ihm denn erlauben, die Schatzkammern Trojas zu plündern, sagt er – und verheißt ihm auch eine schöne Trojanerin fürs gemeinsame Lager, vielleicht gar Hektors Gattin Andromache.
Teukros ärgert sich über Agamemnons Angebot. »Glaubst du, Atreussohn, dass ich mich noch mehr anstrenge als ohnehin schon, angespornt von deinen Versprechen? Ich schieße so schnell und so genau, wie ich kann. Acht Pfeile – acht Tote.«
»Schieß auf Hektor!«, ruft Agamemnon.
»Ich habe auf Hektor geschossen«, schreit Teukros, rot im Gesicht. »Die ganze Zeit war Hektor mein Ziel. Aber ich treffe den Hurensohn einfach nicht!«
Agamemnon verstummt.
Wie als Reaktion auf diese Herausforderung treibt Hektor seinen Streitwagen plötzlich an die vorderste Front der trojanischen Reihen und versucht, seine Männer, die wegen des von dem Bogenschützen angerichteten Gemetzels den Mut verloren haben, hinter sich zu scharen.
Diesmal hebt Ajax seinen Schild nicht hoch, weil Teukros aufsteht, den Bogen bis zum Anschlag spannt, sorgfältig auf Hektor zielt und den Pfeil fliegen lässt.
Er verfehlt Hektor um eine Handbreit und trifft Gorgythion, einen Sohn des Priamos, als dieser hinter Hektors Streitwagen tritt. Der große, kräftige Mann bleibt stehen, macht ein überraschtes Gesicht und schaut auf den gefiederten Schaft hinab, der ihm aus der Brust ragt, als wäre er das Opfer eines Kasernenwitzes, aber dann scheint ihm der Kopf zu schwer für den massigen Hals zu werden und sinkt ihm schlaff auf die Schulter, heruntergezogen vom Gewicht seines Helms; gleich darauf stürzt Gorgythion tot in den blutgetränkten Sand.
»Verdammt!«, sagt Teukros und schießt erneut. Kein Trojaner ist nun so nah bei ihm wie Hektor; seine Brust ist Teukros voll zugewandt.
Dieser Pfeil trifft Archeptolemos, Hektors Wagenlenker, mitten in die Brust. Die kampferfahrenen Pferde bäumen sich auf und machen einen Satz nach vorn, als Archeptolemos’ Blut auf ihre Flanken spritzt, und der junge Mann wird nach hinten geworfen, fällt vom Wagen und stürzt in den Staub.
»Kebriones!« Hektor ergreift die Zügel und fordert seinen Bruder – einen weiteren unehelichen Sohn des lasterhaften Priamos – mit lauter Stimme auf, seinen Wagen zu lenken. Kebriones springt im selben Moment auf, als Hektor abspringt. Außer sich vor Zorn und Kummer über den Tod seines getreuen Archeptolemos, stürmt Hektor ins Niemandsland – ein gutes Ziel für Teukros – und packt den größten, spitzesten Stein, den er mit einer Hand heben kann.
Hektor hat offenbar alle Finessen der Kriegsführung vergessen, deren er
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