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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sein Blickfeld erst rot, dann schwarz und dann wieder rot färbte.
    Sie waren nicht langsam genug geworden. Daeman schrie erneut auf – er war mittlerweile vollkommen heiser –, und dann krachten sie in das bestimmt hundert Stockwerke hohe Gebäude.
    Er hörte kein Glas bersten, spürte keinen tödlichen, plötzlichen Stopp. Die Mauer des Gebäudes wölbte sich nach innen, nahm sie auf und schleuste sie durch einen langen, leuchtenden Kegel, als wären sie in nachgiebigen gelben Gummi getaucht, und dann spuckte sie der Trichter in einen Raum mit sechs leuchtenden, weißen Wänden. Der Energiestrahl erlosch. Die Stühle flogen in unterschiedliche Richtungen. Die Kraftfelder schalteten sich ab.
    Daeman stieß einen letzten Schrei aus, schlitterte über einen harten Fußboden, prallte von einer noch härteren Wand zur Decke und von dieser wieder zurück auf den Fußboden. Dann sah er nur noch Schwärze.
     
    Er fiel.
    Daeman kam abrupt zu sich, als sein Körper und sein Gehirn ihm mitteilten, dass er sich im freien Fall überschlug. Fiel er aus dem Stuhl? Zur Erde? Er öffnete den Mund, um erneut zu schreien, schloss ihn jedoch, als er erkannte, dass er in der Luft hing; Savi hielt ihn an einem Arm fest, Harman am anderen.
    In der Luft hing? Er fiel! Er wand sich und zappelte, aber Savi und Harman, die ebenfalls in dem weißen Raum schwebten, ließen ihn nicht los, sondern schlugen mit ihm zusammen Purzelbäume.
    »Ist schon gut«, sagte Savi. »Wir sind in Null-g.«
    »In was?«, keuchte Daeman.
    »In Nullschwerkraft. Kein Gewicht. Hier, leg die an.« Sie gab ihm eine der Osmosemasken aus dem Crawler. Jemand hatte ihm bereits die Kapuze der Thermohaut aufgesetzt, und der intelligente Anzug hatte die Handschuhe über seine Hände gezogen. Jetzt wehrte sich Daeman verwirrt, aber sie zogen ihm die durchsichtige Osmosemaske über Nase und Mund.
    »Sie ist als Atemgerät für den Notfall gedacht, falls Feuer ausbricht oder giftige Gase freigesetzt werden«, erklärte Savi. »Aber sie wird auch im Vakuum ein paar Stunden funktionieren.«
    »Vakuum?«, sagte Daeman.
    »Die Stadt der NMs hat ihre Schwerkraft und einen Großteil ihrer Luft verloren«, sagte Harman. »Wir haben bereits die Wand durchquert, während du ohnmächtig warst. Die Luft reicht, um hindurchzuschwimmen, aber sie ist zu dünn, als dass man sie atmen könnte.«
    Die Luft reicht, um hindurchzuschwimmen? Bereits die Wand durchquert?, dachte Daeman trotz seiner Kopfschmerzen. Jetzt sind sie alle beide verrückt geworden. »Wie verliert man Schwerkraft?«, fragte er laut.
    »Ich glaube, sie haben mit Kraftfeldern eine gewisse Gravitation auf diesem Asteroiden erzeugt«, sagte Savi. »Seine eigene Schwerkraft dürfte relativ gering sein, und einiges deutet darauf hin, dass die Stadt zum Boden hin ausgerichtet war.«
    Daeman fragte nicht, was ein Asteroid war. Es interessierte ihn nicht besonders. »Können wir wieder runtergehen?«, fragte er, fügte jedoch sofort hinzu: »Aber ich setze mich nicht noch mal auf einen dieser Stühle.«
    Savis Lächeln war trotz ihrer Osmosemaske zu sehen. Sie hatte ihre Überkleidung abgelegt, damit ihre Thermohaut – sie war pfirsichfarben – effizienter arbeitete, und der Anzug, nicht dicker als eine Farbschicht, ließ erkennen, wie dürr und knochig die alte Frau wirklich war. Harman trug ebenfalls nur seine blaue Thermohaut. Daeman schaute an sich hinunter und stellte fest, dass sie ihm seine Kleidung ausgezogen hatten und seine grüne Thermohaut zeigte, wie pummelig er war. Angetan mit Thermohaut und Osmosemaske, hörte Daeman die Stimmen der anderen und das leise Echo seiner eigenen, die in den eingebauten Mikrofonen schnarrte, über die Kopfhörer seiner Kapuze.
    »Diese Stühle werden wohl vorläufig hier bleiben«, sagte Savi. Sie deutete mit einem Nicken auf die zerbrochenen Stühle und die ebenfalls in der Luft schwebenden roten Polster.
    »Ich kann nicht glauben, dass die NMs mit diesen Dingern regelmäßig zu den Ringen gereist sind«, sagte Harman. Das leichte Zittern in seiner Stimme verriet Daeman, dass er nicht der Einzige war, dem dieser Flug überhaupt nicht gefallen hatte.
    »Vielleicht waren sie alle Achterbahn-Fans«, meinte Savi.
    »Was ist eine …?«, begann Daeman.
    »Spielt keine Rolle«, sagte sie, packte den Rucksack, den sie während des ganzen Fluges auf dem Schoß gehabt hatte, und sagte: »Seid ihr bereit, durch die Wand zu gehen und die NMs zu treffen?«
     
    Durch die Wand zu gehen, war

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