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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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es ist Guneus, Führer der Enianen und Perrhäber aus der Gegend um Dodona. Ich weiß nicht, wieso dieser Hauptmann heute Wache in Agamemnons Lager hält, und ich habe momentan auch keine Zeit, das herauszufinden.
    Ich erledige Guneus mit dem Taser und schaue seinen Stellvertreter an, einen krummbeinigen kleinen Feldwebel. »Bringst du mich zu Achilles?«
    Der Mann pflanzt das Ende seiner Lanze in den Sand, sinkt auf ein Knie und neigt kurz den Kopf. Die anderen Wachen zögern, folgen dann jedoch seinem Beispiel.
    Ich frage, wo Achilles ist. »Den ganzen Vormittag über ist der gottähnliche Achilles am Rand der Brandung entlangmarschiert und hat schlafende Achäer und gerade aufstehende Anführer mit seinem durchdringenden Geschrei zu sich gerufen«, sagt der Feldwebel. »Dann hat er die Atriden zum Zweikampf herausgefordert und beide besiegt. Jetzt ist er bei den großen Generälen und plant einen Krieg gegen den Olymp, wie es heißt.«
    »Bringt mich zu ihm«, sage ich.
    Als sie mich aus dem Lager führen, schaue ich mich noch einmal zum Rumpf Orphu von Ios um – er schwebt immer noch über dem Sand, die restlichen Wachen halten nach wie vor respektvollen Abstand –, und dann lache ich laut.
    Der kleine Feldwebel wirft mir einen prüfenden Blick zu, aber ich erkläre ihm nicht den Grund meiner Heiterkeit. Es liegt einfach daran, dass ich zum ersten Mal seit neun Jahren frei auf der Ebene von Ilium herumlaufe, in meiner eigenen Gestalt, als Thomas Hockenberry und nicht als jemand anders. Es ist ein schönes Gefühl.
     

43
Äquatorialring
    Kurz bevor sie die Klinik fanden, hatte Daeman sich beklagt, er sei völlig ausgehungert. Und das war er auch. Noch nie hatte er von einer Mahlzeit zur nächsten so lange warten müssen. Zuletzt hatte er ein paar lumpige Bissen vom letzten getrockneten Nahrungsriegel gegessen, und das war nun schon fast zehn Stunden her.
    »In dieser Stadt muss es doch irgendetwas zu essen geben«, sagte er. Die drei schwammen durch die tote Orbitalstadt, indem sie sich immer wieder irgendwo abstießen. Über ihnen waren die leuchtenden Scheiben durchsichtigen Paneelen gewichen, und sie sahen jetzt, dass der Asteroid sich mitsamt seiner Stadt langsam drehte. In regelmäßigen Abständen erschien über ihnen die Erde und zog durch ihr Blickfeld; ihr mildes Licht erhellte den leeren Raum und fiel auf schwebende Leichen, verdorrte Pflanzen und sanft wogenden Tang. »Hier muss es etwas zu essen geben«, wiederholte Daeman. »Konservendosen, gefriergetrocknete Nahrung … irgendetwas.«
    »Wenn ja, dann ist es Jahrhunderte alt«, sagte Savi. »Und so mumifiziert wie die Nachmenschen.«
    »Wenn wir Servitoren finden, besorgen sie uns bestimmt etwas zu essen«, sagte Daeman und merkte im selben Moment, dass er Unsinn redete.
    Harman und Savi sparten sich eine Antwort. Sie schwebten in eine kleine Lichtung in den wild wuchernden Tangfeldern. Die Luft schien hier ein wenig dichter zu sein, aber Daeman lüpfte weder seine Osmosemaske noch die Kapuze seiner Thermohaut, um sie zu atmen. Er merkte sogar durch die Maske, dass die wenige kalte Luft übel roch.
    »Wenn wir ein Faxportal finden«, sagte Harman, »müssen wir es benutzen, um nach Hause zu kommen.« In dem blauen Thermohautanzug war Harmans Körper muskulös und straff, aber hinter der durchsichtigen Maske des anderen Mannes sah Daeman die ersten Falten und Furchen um seine Augen. Harman wirkte älter als noch am Vortag.
    »Ich weiß nicht, ob es hier Faxportale gibt«, sagte Savi. »Und ich würde auch nicht mehr faxen, selbst wenn ich es könnte.«
    Harman sah sie an. Die Erde kam über ihnen in Sicht, und das weiche Erdlicht warf einen matten Schein auf ihre Gesichter. »Haben wir denn eine andere Wahl? Du hast gesagt, die Stühle seien nur für den Herweg gedacht.«
    Savis Lächeln war müde. »Mein Code ist nicht mehr in ihren Faxbanken. Oder wenn, dann nur zu Löschzwecken. Und ich fürchte, das gilt auch für euch beide, nachdem die Voynixe uns in Jerusalem entdeckt haben. Aber selbst wenn eure Codes noch gültig wären, wir hier irgendwie Faxknoten fänden und irgendwie lernen könnten, die Maschinerie zu bedienen – das sind keine gewöhnlichen Faxportale, wisst ihr –‚ und wenn ich dann hier bliebe, um euch nach Hause zu faxen, würde es nicht funktionieren, glaube ich.«
    Harman seufzte. »Dann müssen wir halt einen anderen Weg finden.« Er ließ den Blick über die dunkle Stadt, die gefrorenen Leichen und den wogenden Tang

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