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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Fortsätzen dieses Mahnmut. »Gib mir deine Hand«, sage ich erneut. »Ich bringe dich in Sicherheit, fort vom Olymp, und dann komme ich wieder und kümmere mich um deinen Freund.«
    Der kleine Roboter tritt einen Schritt zurück. »Bevor ich gehe, muss ich wissen, dass Orphu gerettet werden kann.«
    Draußen auf dem Gang ertönen laute Stimmen. Suchen sie mich schon? Wahrscheinlich. Hat Aphrodite ihre Blick-durch-den-Hades-Helm-Technik weitergegeben, oder schwärmen sie nur aus und suchen den Raum ab, als würden sie einen Unsichtbaren jagen? Hera stöhnt und dreht sich auf die Seite. Ihre Augenlider flattern noch, aber sie kommt wieder zu sich.
    »Verdammt«, sage ich. Ich reiße mir den Umhang herunter und nehme das zu meiner Rüstung gehörende Schwebegeschirr ab. »Mach mir hier bitte mal ein bisschen Licht.« Soll man zu einem Roboter bitte sagen? Allerdings hat dieser Mahnmut sich nicht als Roboter bezeichnet, sondern als Moravec. Was immer das sein mag.
    Der erste Gurt des Geschirrs ist viel zu kurz und passt nicht um den großen Krebsrumpf, aber ich verbinde alle drei Teile des Geschirrs miteinander und befestige die Schnallen an jedem Ende an Rissen in der Hülle. Dieser arme Orphu sieht aus, als hätten ihn Terroristen jahrelang für Schießübungen benutzt. Sein irgendwie metallisch wirkender Panzer ist über und über mit Kratern bedeckt.
    »In Ordnung«, sage ich. »Mal sehen, ob es funktioniert.« Ich aktiviere das Geschirr.
    Die zweifellos tonnenschwere, reglose Krebsschale wackelt, stößt irgendwo an, erhebt sich dann jedoch rund zwanzig Zentimeter über den Marmorboden.
    »Sehen wir doch mal, ob dieses Medaillon so viel Fracht transportieren kann«, sage ich, ohne mich darum zu kümmern, ob Mahnmut mich versteht. Ich gebe dem kleinen Roboter den Taser. »Wenn die Kuh sich aufrappelt, bevor ich zurück bin, oder wenn jemand anders durch diese Tür hereinkommt, zielst du und drückst hier auf den Stab. Das wird einen von ihnen aufhalten.«
    »Eigentlich muss ich zwei Sachen holen, die sie uns gestohlen haben«, sagt Mahnmut, »und da könnte es sein, dass mir deine Unsichtbarkeitsvorrichtung bessere Dienste leistet. Ob ich sie mir wohl mal ausleihen könnte?« Er gibt mir den Stab zurück.
    »Scheiße«, sage ich. Die Stimmen sind jetzt direkt draußen vor der Tür. Ich löse meine Rüstung, ziehe die Lederhaube herunter und werfe sie dem Roboter zu. Wird Hades’ kleiner Apparat bei einer Maschine funktionieren? Soll ich ihm sagen, dass Aphrodite ihn trotz der Haube sehen kann? Keine Zeit. »Wie finde ich dich, wenn ich zurückkomme?«
    »Komm irgendwann in der nächsten Stunde zu dieser Seite des Caldera-Sees«, sagt der Roboter. »Ich finde dich.«
    Die Tür geht auf. Der kleine Roboter verschwindet.
    Nightenhelser und Patroklos hatte ich einfach gepackt, um sie ins QT-Feld einzubeziehen; um den reglosen Patroklos hatte ich allerdings den Arm gelegt und ihn so mitgeschleppt. Jetzt lehne ich mich an den Rumpf dieses Orphu, lege einen Arm über ihn, so weit es geht, stelle mir mein Ziel bildlich vor und drehe das Medaillon.
     
    Heller Sonnenschein und Sand unter meinen Füßen. Die Orphu-Masse ist mit mir teleportiert und schwebt jetzt zwanzig Zentimeter über dem Sand, was gut ist, weil sich unter ihr kleine Felsbrocken befinden. Ich glaube nicht, dass man nach der Quantenteleportation in einem festen Objekt materialisieren kann, aber ich bin froh, dass wir uns nicht diesen Tag ausgesucht haben, um es herauszufinden.
    Ich bin in Agamemnons Lager am Strand gekommen, aber zu dieser späten Vormittagsstunde ist so gut wie niemand bei den Zelten. Trotz der brodelnden Gewitterwolken über uns fallen Sonnenstrahlen auf den Strand und die bunten Zelte, färben die langen schwarzen Boote mit Licht und zeigen mir die achäischen Wachen, die bei unserem plötzlichen Auftauchen einen erschrockenen Satz rückwärts machen. Ich höre den Schlachtenlärm ein paar hundert Meter vom Lager entfernt und weiß, dass die Griechen und Trojaner dort draußen jenseits des achäischen Verteidigungsgrabens immer noch miteinander kämpfen. Vielleicht führt Achilles gerade einen Gegenangriff.
    »Diese Muschel ist den Göttern geweiht«, rufe ich den Wächtern zu, die hinter ihren Lanzen kauern. »Lasst die Finger von ihr, sonst werdet ihr mit dem Tode bestraft. Wo ist Achilles? War er hier?«
    »Wer will das wissen?«, erkundigt sich der Anführer, ein großer, haariger Kerl. Er hebt seine Lanze. Jetzt erkenne ich ihn –

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