Ilium
war. Mahnmut wusste instinktiv, dass es nichts bringen würde, sie anzugreifen. Er wich zurück, bis er die Hand ausstrecken und Orphus Hülle berühren konnte; er wusste genau, dass der Ionier den Kontakt spürte.
Die Göttin sagte auf Englisch: »Mein Name ist Hera, und ich bin hier, um euch dumme, dumme Moravecs ein für alle Mal von eurem Elend zu erlösen. Solche wie euch habe ich noch nie gemocht.«
Es gab einen Blitz, einen Schlag, und dann senkte sich vollkommene Schwärze herab.
42
Olymp und Ilium
Als ich Thetis, Aphrodite und meine Muse die große Halle betreten sehe, will ich spontan fortqten, aber dann fällt mir wieder ein, dass Aphrodite die Macht, die sie mir verliehen hat – Störungen im Quantenkontinuum wahrzunehmen und zu verfolgen –, ebenfalls besitzen muss. Jeder übereilte Quantenabgang könnte nun ihre Aufmerksamkeit erregen. Außerdem bin ich hier noch nicht ganz fertig.
Ich verdrücke mich seitwärts, bis mich ein paar hoch gewachsene Götter und Göttinnen vor den Blicken der hereinkommenden Frauen verbergen, schleiche hinter eine dicke Säule und verlasse die große Halle. Ich höre Ares’ laute, zornige Stimme – er will immer noch wissen, was in seiner Abwesenheit auf dem Schlachtfeld von Ilium geschehen ist –, und dann sagt Aphrodite: »Vater Zeus, Herr und Gebieter, obwohl ich noch nicht ganz von meinen schrecklichen Wunden genesen bin, habe ich darum gebeten, die Heilbottiche verlassen und hierher kommen zu dürfen. Ich habe nämlich Kenntnis davon erlangt, dass ein Sterblicher auf freiem Fuß ist, der ein QT-Medaillon und den von Hades persönlich geschmiedeten, unsichtbar machenden Helm des Todes entwendet hat. Ich fürchte, dass dieser Sterbliche großes Unheil anrichtet, noch während wir hier miteinander sprechen.«
In der Götterschar bricht ein Tumult aus. Fragen werden gerufen, ein Stimmengewirr erhebt sich.
So viel zu einem etwaigen Vorteil meinerseits. Immer noch vom Feld des Hades-Helms geschützt, laufe ich einen langen Korridor entlang, wende mich bei der ersten Kreuzung nach links und eile durch einen weiteren Korridor. Ich habe keine Ahnung, wohin ich laufe, aber mir ist klar, dass meine einzige Hoffnung darin besteht, auf Hera zu stoßen. An einer weiteren Kreuzung komme ich schlitternd zum Stehen; ich höre, wie das Gebrüll aus der großen Halle noch lauter wird, schließe die Augen und bete – aber nicht zu diesen schweinischen Göttern. Es ist das erste Mal, dass ich bete, seit ich neun Jahre alt war und meine Mutter Krebs hatte.
Ich öffne die Augen und sehe, wie Hera hundert Meter zu meiner Linken eine Korridorkreuzung überquert.
Das Klatschen meiner Sandalen hallt in den langen Marmorgängen wider. Hohe, goldene Dreifüße werfen ihren Feuerschein an Wände und Decken. Die Geräusche, die ich mache, sind mir momentan egal – ich muss Hera einholen. Von der erregten Versammlung im großen Saal hallt weiteres Geschrei durch die Gänge. Ich frage mich einen Augenblick lang, wie Aphrodite ihre Mittäterschaft verheimlichen will – schließlich hat sie mich ausgerüstet und losgeschickt, um Athene zu bespitzeln und zu töten –‚ aber dann erkenne ich, dass die Göttin der Liebe eine meisterhafte Lügnerin ist. Ich werde tot sein, bevor ich eine Chance bekomme, jemandem die Wahrheit über diese Angelegenheit zu erzählen. Und Aphrodite wird als Heldin dastehen, weil sie die anderen Götter auf meinen Verrat aufmerksam gemacht hat.
Hera geht mit schnellen Schritten dahin. Plötzlich bleibt sie stehen und schaut sich um. Ich hatte ohnehin schon innegehalten, und nun schwanke ich auf den Zehenspitzen, um meine Position nicht zu verraten. Zeus’ Gattin runzelt die Stirn, schaut in beide Richtungen und streicht mit der Hand über eine sechs Meter hohe Metalltür. Das Metall summt, innere Schlösser entriegeln sich klickend, und die Tür schwingt nach innen auf. Ich muss mich beeilen, um in den Raum zu schlüpfen, bevor Hera die Tür mit einer Handbewegung hinter sich schließt. Noch lauteres Geschrei aus der großen Halle übertönt das Geräusch meiner Sandalen auf dem Stein. Hera zieht eine glatte, graue Waffe – eher wie eine Muschel mit gefährlich aussehenden schwarzen Öffnungen – aus den Falten ihres Gewands.
Der kleine Roboter und die Krebsschale sind die einzigen anderen Dinge im Raum. Der Roboter weicht vor Hera zurück – er weiß offenbar, was jetzt kommt – und legt eine seltsam menschlich aussehende Hand auf die riesige
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