Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons

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solltest froh sein, Harman. Das war doch dein Ziel, nicht wahr? Zur Klinik zu gelangen und noch ein paar Jahre herauszuschinden?«
    »So ähnlich, ja.«
    Sie wies mit einem Nicken auf die Leiche. »Sieht nicht so aus, als wären die NMs deine Verhandlungspartner.«
    »Glaubst du, dass die Klinik vollautomatisch ist?«, fragte Harman. »Dass es nur die Servitoren sind, die den Betrieb aufrecht erhalten, die uns in diesen letzten paar Jahrhunderten hochgefaxt, während der uns zugestandenen fünf Zwanziger repariert und dann wieder in unser langweiliges kleines Leben zurückgefaxt haben?«
    »Weshalb gehen wir nicht rauf und finden es heraus?«, sagte Savi.

    Durch ein weißes, halb durchlässiges Wandquadrat wie bei der Luftschleuse gelangten sie in das leuchtende, verglaste Rechteck.
    Es war die Klinik. Darin gab es nicht nur Licht und Luft, sondern es herrschte auch ein Zehntel Erdgravitation. Als Daeman durch die Wand kam, fiel er auf Hände und Knie, außerstande, sich so schnell an den leichten, aber beharrlichen Zug der Schwerkraft anzupassen. Die abrupte Veränderung, dazu der willkommene Anblick der so vertrauten Servitoren und sein Erschrecken darüber, so kurz nach der Allosaurus-Episode wieder in der Klinik zu sein, schwächten seine Beine derart, dass er nicht einmal in diesem Swimming-Pool-g-Feld auf ihnen stehen konnte.
    Savi und Harman gingen von einem Tank zum anderen. Savi hatte ihre Osmosemaske abgenommen und prüfte die Luft. »Dünn, aber der Gestank ist schrecklich«, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam und schrill. »Für irgendetwas benötigen sie hier offenbar Luft, aber sie riecht so widerwärtig, dass man sie nicht atmen kann. Behaltet eure Masken auf.«
    Daeman brauchte keine weitere Aufforderung; er ließ die Maske, wo sie war.
    Die Servitoren beachteten sie nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt diversen virtuellen Bedienungsfeldern. Grüne und rote Flüssigkeiten strömten durch transparente Rohre und Schläuche in die Tanks und aus ihnen heraus. Harman schaute in jeden der drei Meter hohen Behälter. Die menschlichen Körper darin waren fast alle makellos, aber noch nicht ganz ausgeformt, das Fleisch zu glatt, Schädel und Unterleib haarlos, die Augen weiß. Nur wenige der schwimmenden Gestalten waren beinahe fertig; ihre Augen hatten farbige Regenbogenhäute und blinzelten mit träger Intelligenz zu ihnen heraus.
    Daeman folgte den beiden anderen, hielt aber größeren Abstand zu den Tanks. Er betrachtete diese Protomenschen und erinnerte sich an die verschwommenen Bilder aus seiner erst ein paar Tage zurückliegenden Zeit im Tank. Erneut überlief ihn ein Schauder, und er wich von den Behältern zurück, bis er an einen Tresen stieß. Ein Servitor schwebte um ihn herum, ohne ihn zu beachten.
    »Sie sind offenbar nicht auf den Umgang mit Menschen außerhalb der Tanks programmiert«, sagte Savi. »Aber wenn man sie genügend bei ihrer Arbeit behindern würde, würden sie den Störenfried wahrscheinlich irgendwie aus dem Weg schaffen.«
    Plötzlich blinkte ein grünes Licht an einem Bottich, der einen vollständig wieder hergestellten Körper enthielt – eine blauäugige junge Frau mit roten Haaren auf dem Kopf und zwischen den Beinen –, und die Flüssigkeit im Tank begann heftig zu brodeln. Im nächsten Moment war der Körper verschwunden. Ein paar Sekunden später erschien ein neuer Körper im Tank, diesmal ein blasser Mann mit weit geöffneten, toten Augen und einer Stirnwunde.
    »Sie haben ein Faxportal in jedem Tank!«, rief Daeman. Dann erkannte er, dass es gar keine andere Möglichkeit gab. Auf diese Weise wurden ihre Körper bei jedem Zwanziger oder nach jeder ernsten Verletzung hier heraufgeschafft. Oder nach dem Tod. »Wir könnten diese Faxknoten benutzen«, sagte er.
    »Vielleicht.« Savi hatt die Nase dicht vor einem der Tanks. »Vielleicht auch nicht. Das Fax ist auf den Körper im Tank codiert. Es könnte sein, dass die Faxmaschinerie eure Codes nicht erkennt und euch einfach … wegspült.«
    Farbige Flüssigkeiten strömten in den Tank mit der eben eingetroffenen Leiche. Aus einer Öffnung kamen Schwärme winziger blauer Würmer, schwammen zu dem Toten und bohrten sich in seinen ramponierten Schädel und sein aufgedunsenes, weißes Fleisch.
    »Willst du immer noch deine zusätzliche Zeit im Tank?«, wandte sich Savi an Harman.
    Harman rieb sich nur das Kinn und blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die vielen Reihen leuchtender Tanks. Plötzlich zeigte er auf etwas.