Ilium
abgeschlachteter Götter.«
Odysseus neigt leicht den Kopf. »Peleussohn, o Achilles, du weitaus größter Held der Achäer, du bist stärker als ich und um nicht weniges besser mit der Lanze, doch ich überrage dich an Einsicht bei weitem, denn ich bin früher geboren und reicher an Wissen. Darum ertrage es jetzt dein Herz, meine Worte zu hören, neuer Herrscher. Lass deine treuen Achäer, Argeier und Danaer Ilium an diesem langen Tag nicht mit leerem Magen angreifen, geschweige denn gegen den Olymp in den Krieg ziehen, solange sie hungrig sind.«
Achilles hält inne, bevor er antwortet.
Odysseus nutzt Achilles’ Schweigen, um seinem Argument noch mehr Nachdruck zu verleihen. »Willst du, Achilles, dass deine Helden, die bis auf den letzten Mann bereit sind, für dich zu sterben, die darauf brennen, Patroklos zu rächen, nicht im Kampf mit den unsterblichen Göttern, sondern durch Hunger den Tod finden?«
Achilles legt Odysseus seine starke Hand auf die Schulter, und ich merke nicht zum ersten Mal, wie viel größer als der erfindungsreiche Odysseus der Männertöter ist. »Odysseus, weiser Berater«, sagt Achilles, »Agamemnons Herold Talthybios soll seinen Dolch über die Kehle des größten Ebers ziehen und das Tier über dem heißesten Feuer, das deine Männer entfachen können, auf den Spieß stecken. Dann schlachtet so viele weitere, wie es der Hunger in den Reihen der Achäer verlangt. Ich werde meinen treuen Myrmidonen befehlen, sich um den Festschmaus zu kümmern. Doch heute werden wir ihn nicht mit einem Opfer an die Götter beginnen, werden die ersten Stücke nicht für sie ins Feuer werfen. Heute werden wir den Göttern nur die Spitzen unserer Lanzen und Schwerter zu schmecken geben. Sollen die Ersten zur Abwechslung einmal die Letzten sein.«
Er lässt den Blick in die Runde schweifen und spricht so laut, dass alle Hauptleute ihn hören können. »Lasst es euch schmecken, meine Freunde. Nestor! Schick deine Söhne, Antilochos und Thrasymedes, auch Meges, den Sohn des Phyleus, Meriones und Thoas, Lykomedes, den Sohn des Kreion, und Melanippos zu unseren Kämpfern an der vordersten Front. Sie sollen ihnen die Nachricht vom Festschmaus überbringen, damit kein achäischer Recke heute ohne Fleisch und Wein zum Mittagsmahl bleibt! Ich selbst werde mich zum Kampf rüsten und mit Hockenberry, dem Sohn des Duane, fortgehen, um mich auf den kommenden Krieg gegen die Götter vorzubereiten.«
Achilles dreht sich um und betritt das Zelt, in dem er sich bei meiner Ankunft angekleidet hat. Nun gibt er mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich ihm folgen soll.
Das Warten auf Achilles, der sich zum Krieg rüstet, erinnert mich daran, wie ich auf meine Frau, Susan, gewartet habe, wenn sie sich für eine Dinnerparty anzog und wir ohnehin schon spät dran waren. Es gibt keine Möglichkeit, den Vorgang zu beschleunigen – man muss einfach warten.
Aber ich schaue immer wieder auf mein Chronometer und denke an den kleinen Roboter, den ich dort oben zurückgelassen habe – Mahnmut war sein Name –, und ich frage mich, ob die Götter ihn schon getötet haben. Doch er hat mir gesagt, ich solle in einer Stunde zurückkommen und mich am Caldera-See mit ihm treffen, und ich habe noch mehr als dreißig Minuten Zeit.
Aber wie soll ich zum Olymp zurückkehren, ohne mich unter dem Hades-Helm verstecken zu können? Ich hatte die Lederhaube spontan dem kleinen Roboter gegeben, und jetzt muss ich womöglich jeden Moment für diese Spontaneität bezahlen, wenn die Götter herabschauen und mich hier erblicken. Aber ich sage mir, dass Aphrodite mich sowieso sehen kann, wenn ich zum Olymp zurückkehre, Hades-Helm hin oder her, also muss ich einfach schnell hinteleportieren, Mahnmut holen und wieder verschwinden. Wichtig ist, was jetzt hier und in Ilium geschieht.
Was hier geschieht, ist, dass Achilles sich ankleidet.
Ich bemerke, dass er mit den Zähnen knirscht, während er sich für den Krieg rüstet – oder vielmehr, während seine Diener, Sklaven und Gehilfen ihn für den Krieg rüsten. Kein Ordensritter des Mittelalters hat seine Waffen und seine Rüstung jemals sorgfältiger und feierlicher behandelt als Achilles, der Pelide, an diesem Tag.
Zuerst umhüllt Achilles seine Unterschenkel mit fein gearbeiteten Beinschienen – Schienbeinschützer, die mich an meine Zeit als Catcher in der Baseball-Kinderliga erinnern –, obwohl diese Beinschienen nicht aus Formplastik bestehen, sondern eine herrliche
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