Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
restlichen Flechetteladungen, die er enthielt. Es waren zwei.
    »Glaubst du, er … es ist tot?«, flüsterte Daeman und schaute sich zu den beiden Stellen um, wo der unterirdische Fluss in die kleine Grotte strömte. Der felsige Raum wurde nur von einem matten Lichtschein erhellt. »Savi hat ihm aus höchstens einem Meter Entfernung mitten in die Brust geschossen. Vielleicht ist es tot.«
    »Nein«, sagte Harman. »Caliban ist nicht tot. Zieh dir die Maske über. Wir müssen hier irgendwie herauskommen.«
     
    Der unterirdische Fluss strömte von einer Grotte in die andere und schließlich in eine Höhle, wobei jeder Raum größer war als der vorherige. Die obersten Schichten des Asteroiden unter der gläsernen Stadt schienen von Höhlen und Rohren durchzogen zu sein. In der zweiten Grotte, in der sie auftauchten, fanden sie Blutspritzer auf einigen Steinen.
    »Von Savi oder von Caliban?«, flüsterte Daeman.
    Harman zuckte die Achseln. »Vielleicht von beiden.« Er ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe über den flachen Felsen schweifen, der sich zu beiden Seiten des stinkenden Stroms zehn Meter weit in die Schatten erstreckte. Rippen, Oberschenkel- und Hüftknochen sowie ein Schädel reflektierten das Licht.
    »O Gott, Savi«, keuchte Daeman. Er zog sich eilig die Maske über und machte sich bereit, wieder in den unterirdischen Fluss zu springen.
    Harman packte ihn mit festem Griff an der Schulter und hielt ihn zurück. »Ich glaube nicht.« Er trat näher an die Knochen heran und ließ den Lichtkegel hin und her wandern. Auf sämtlichen Felssimsen zu beiden Seiten des Stroms lagen weitere skelettale Überreste. »Die sind alt«, sagte Harman. »Monate oder Jahre – vielleicht Jahrzehnte.« Er hob zwei Rippen auf und hielt sie ins Licht. Die Knochen hoben sich erschreckend weiß gegen den blauen Handschuh seines Thermoanzugs ab. Daeman konnte Nagespuren erkennen.
    Er begann wieder zu zittern. »Tut mir Leid«, flüsterte er.
    Harman schüttelte den Kopf. »Wir haben beide einen Schock und sind völlig ausgehungert. Wir haben seit über zwei Tagen so gut wie nichts gegessen.« Er legte sich auf einem Felsen nahe am Wasser auf den Bauch.
    »Aber vielleicht gibt es Nahrung in der Stadt…«, begann Daeman.
    Harmans Hand schoss ins Wasser hinunter, und es gab ein wildes Geplätscher. Daeman sprang weg, fest davon überzeugt, dass Caliban zurückgekommen war, doch als er sich umschaute, hielt Harman eine Albino-Echse in beiden Händen. Sie war nicht augenlos wie diejenige, die Savis Schicksal besiegelt hatte; ihre Knopfaugen waren rosa.
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte Daeman.
    »O doch.«
    »Wir sollten keine Flechettes verschwenden, um dieses Ding zu töten …«, begann Daeman.
    Harman packte die Echse fest über den Hinterbeinen und zertrümmerte ihr an einem Stein den Schädel.
    Daeman zog sich rasch die Osmosemaske hoch. Er war sicher, dass er sich wieder übergeben würde. Aber es kam nichts heraus. Sein Magen knurrte und verkrampfte sich.
    »Ich wünschte, Savi hätte ein Messer in ihrem Rucksack gehabt«, murmelte Harman. »Erinnerst du dich an dieses hübsche Abhäutemesser, das Odysseus auf der Golden Gate Bridge bei sich gehabt hat? Das könnten wir jetzt prima gebrauchen.«
    Von einem Entsetzen gepackt, das schon jenseits der Übelkeit lag, schaute Daeman zu, wie Harman inmitten der Menschenknochen einen faustgroßen Stein aufklaubte und eine Kante abzuschlagen versuchte. Als er eine grobe Schneide erzeugt hatte, schnitt er der toten Echse den Kopf ab und zog der Amphibie die weiße Haut ab.
    »Das kriege ich nie im Leben hinunter«, stieß Daeman hervor.
    »Du hast selbst gesagt, dass es oben in der Stadt nichts zu essen gibt«, sagte Harman, über seine Arbeit gebeugt. Eine Echse abzuhäuten war ein relativ unblutiger Vorgang, wie Daeman sah.
    »Wie bereiten wir sie zu?«
    »Gar nicht, glaube ich. Savi hat keine Streichhölzer mitgebracht, hier unten gibt es keinen Brennstoff und oben in der Stadt keine Luft.« Harman riss rotes Fleisch vom Oberschenkel der Echse, ließ es einen Moment lang im Lichtschein der Taschenlampe baumeln und stecke es sich dann in den Mund. Dann schöpfte er etwas Wasser aus dem Fluss und spülte das Stück damit hinunter.
    »Wie schmeckt’s?«, fragte Dceman, obwohl er sich die Frage anhand von Harmans Gesichtsausdruck selbst beantworten konnte.
    Harman riss einen dünneren Streifen ab und gab ihn Daeman. Es dauerte zwei volle Minuten, bevor Daeman ihn in den Mund

Weitere Kostenlose Bücher