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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Lanzen aus reiner Energie in den See. Das Wasser kocht kilometerweit in die Caldera hinein. Andere Götter rufen mit verstärkten Stimmen und verkünden, dass Zeus allen befiehlt, sich in der großen Halle zu versammeln. Bis jetzt hat mich noch niemand bemerkt – das Durcheinander ist einfach zu groß –, aber es kann höchstens noch eine Minute dauern, bis jemand den Nichtgott auf dem Gelände ihres exklusiven Country-Clubs erspäht.
    Auf einmal schäumt das kochende Wasser nur ein paar Meter von meinem Standort entfernt auf, und eine undeutlich erkennbare Gestalt kommt heraus. Sie ist nur sichtbar, weil das Wasser in Sturzbächen von ihrer unsichtbaren Oberfläche herunterläuft. Dann kommt abrupt der dunkle kleine Roboter zum Vorschein. Er zieht den Hades-Helm herunter und reicht ihn mir.
    »Am besten, wir verschwinden sofort«, sagt Mahnmut auf Englisch. Während ich wortlos den Lederhelm an mich nehme, lässt er seinen Arm ausgestreckt, damit ich ihn packe und in das QT-Feld einbeziehe. Ich umfasse seinen Unterarm – schreie auf und lasse ihn los. Das Metall, der Kunststoff oder woraus auch immer seine Haut besteht, ist glühend heiß. Meine rechte Handfläche ist bereits rot, und die ersten Blasen bilden sich.
    Zwei Streitwagen stoßen auf uns herab. Blitze zucken. Die Luft riecht nach Ozon.
    Ich packe den Roboter an der Schulter und drehe erneut das Medaillon. Ich weiß, dass keiner von uns lebend hier herauskommen wird, aber ich sage mir, dass ich wenigstens zurückgekommen bin, um die kleine Maschine zu holen, wie ich es versprochen habe. Wenigstens das habe ich getan.
     

49
Äquatorialring
    Die ersten beiden Wochen ernährten sie sich von den Echsen in dem vergifteten Teich. Beide verloren so viel Gewicht, dass ihre Thermohäute zwei Nummern kleiner werden mussten, um mit ihrer Haut in Kontakt zu bleiben.
    Savis Tod hatte Daeman und Harman derart schockiert, dass beide noch eine volle Minute, nachdem Caliban mitsamt der Leiche ihrer Freundin verschwunden war, benommen auf ihren Steinsäulen drei Meter über dem stinkenden Wasser gesessen hatten. Daeman stellte fest, dass ihm nur ein Gedanke durch den Kopf ging – Caliban wird zurückkommen, um uns zu holen. Caliban wird zurückkommen, um um zu holen. Dann brach Harman den Bann, indem er mit den Füßen voran ins stinkende Wasser sprang und ebenfalls verschwand.
    Daeman hätte vor Entsetzen aufgeschrien, wenn er die Kraft dazu besessen hätte, aber er konnte nur in den wogenden Schleim starren, wo Harman ihn verlassen hatte. Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, tauchte Harman wieder auf, keuchend, spuckend und mit drei Gegenständen in den Händen: ihren beiden Osmosemasken und Savis Schusswaffe. Er zog sich auf das tiefer liegende Steingesims, und Daeman – der endlich aus seiner Lähmung erwachte – kletterte zu ihm hinunter.
    »Das Wasser ist hier nur ungefähr drei Meter tief«, keuchte Harman, »sonst hätte ich die Sachen nie gefunden.« Er gab Daeman dessen Osmosemaske und zog sich die eigene über die Kapuze seiner Thermohaut, aber nicht übers Gesicht. Dann hob er die Schusswaffe.
    »Funktioniert sie noch?«, fragte Daeman mit zitternder Stimme. Er hatte Angst, so nah am Wasser; bestimmt würde sich jeden Moment Calibans langer Arm heraufschlängeln, um ihn hinunterzuziehen. Daeman dachte immer wieder an das obszöne Schnapp, mit dem die Kiefer des Monsters Savis Hals und Wirbelsäule durchgebissen hatten.
    »Gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden«, sagte Harman leise. Seine Stimme zitterte, aber Daeman konnte nicht erkennen, ob es am kalten Wasser oder an der Angst lag.
    Harman zielte mit der Waffe, wie er es sich von Savi abgeschaut hatte, steckte den Finger in den Bügel und drückte auf den Abzug. Nahe an der gegenüberliegenden Wand schäumte eine kreisrunde Wasserfläche zu einer unregelmäßigen Fontäne von einem Meter Höhe auf, als Hunderte von Flechettes die Wasseroberfläche durchsiebten.
    »Ja!«, schrie Daeman. Seine Stimme hallte in der kleinen Grotte wider. Zur Hölle mit Caliban!
    »Wo ist Savis Rucksack?«, fragte Harman im Flüsterton.
    Daeman zeigte auf die Stelle, wo er hingefallen war, unterhalb von Savis Steinsäule. Die beiden Männer kletterten hinüber und durchwühlten ihn. Die Taschenlampe funktionierte noch. Sie fanden drei weitere Flechette-Clips; jeder enthielt sieben Pfeilpakete aus Kunststoff. Harman fand heraus, wie man den eingelegten Munitionsstreifen auswarf, und zählte die

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