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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Esstisch.
    Wäre es nicht leichter, das Ungeheuer einfach zu töten und die Klinik intakt zu lassen?
    Nein, erkannte Daeman trotz seines Hungers und seiner Müdigkeit. Dieser Ort war eine Obszönität, wie auch immer man es betrachtete. Das gesamte Glaubenssystem der Fünf Zwanziger beruhte auf der Überzeugung, dass die Menschen nach hundert Jahren zu den Ringen auffuhren und dort oben zusammen mit den Nachmenschen ein ewiges Leben mit allen Annehmlichkeiten führten. Daeman dachte an die grauen, halb aufgefressenen Leichen, die in der dünnen, abgestandenen Luft draußen trieben, und konnte nur höhnisch schnauben.
    »Was ist?« Prospero drehte sich halb von dem Ausblick weg.
    »Nichts«, sagte Daeman. Er hätte am liebsten geweint oder etwas zerbrochen. Vorzugsweise Letzteres.
    »Wie können wir die Klinik zerstören?«, fragte Harman. Er war so krank, dass er zitterte. Er war noch blasser als Daeman, und sein Gesicht war von einer glitschigen Schweißschicht überzogen.
    »Ja allerdings, wie?«, fragte Prospero. Er stützte sich auf seinen Stab und schaute sie an. »Habt ihr Sprengstoff, Waffen – abgesehen von Savis alberner kleiner Pistole – oder Werkzeug dabei?«
    »Nein«, sagte Harman.
    »Hier oben gibt es nichts Dergleichen«, sagte Prospero. »Die Nachmenschen waren längst über Kriege und Konflikte hinaus. Und über Werkzeug auch. Hier haben die Servitoren die ganze Arbeit erledigt.«
    »Sie arbeiten immer noch«, sagte Daeman.
    »Nur in der Klinik«, erwiderte der Magier. Er ging langsam zum Pult in der Mitte des Raumes zurück. »Habt ihr auch an die Hunderte von Menschen gedacht, die hilflos in den Tanks der Klinik schwimmen?«
    »Mein Gott«, sagte Harman leise.
    Daemen rieb sich die Wange und spürte den Bart dort. Es war ein seltsam befriedigendes Gefühl. »Wir können die Faxknoten in den Genesungstanks nicht benutzen, um zur Erde zurückzugelangen, aber vermutlich könnte man diejenigen, die jetzt in den Tanks sind, zu den Portalen zurückfaxen, von denen sie gekommen sind.«
    »Ja«, sagte Prospero. »Wenn ihr die Servitoren dazu bringen könnt, das zu tun. Oder wenn ihr die Kontrolle über die Faxsteuerung selbst übernehmt. Aber da gibt es ein Problem.«
    »Nämlich?«, fragte Daeman, aber noch während er die Frage stellte, sah er das Problem deutlich vor sich.
    Prospero lächelte grimmig und nickte. »Jene, die gerade erst in die Tanks gefaxt worden sind oder deren Blaue-Würmer-Heilprozess abgeschlossen ist, kann man per Fax zurückschicken. Aber die vielen hundert, die mitten im Heilprozess sind …« Sein Schweigen sagte alles.
    »Was können wir tun?«, fragte Harman. »Es werden ständig Hunderte neuer Menschen hergefaxt und geheilter weggefaxt.«
    »Wenn Prospero Recht hat und es uns gelingt, die Kontrolle über das Fax zu übernehmen«, sagte Daeman, »könnten wir die Neuaufnahmen abschalten und die Geheilten weiter hinunterfaxen, bis alle Tanks leer sind. Wir waren beide in den Tanks. Wie lange dauert der Zwanziger-Heilungsprozess normalerweise? Vierundzwanzig Stunden? Achtundvierzig bei schweren Verletzungen, zum Beispiel, wenn man von einem Allosaurier gefressen wird?«
    »Davon bist du nicht ›geheilt‹ worden«, sagte Prospero. »Sie haben dich mit Hilfe deiner aktualisierten Memory-Codes aus den Faxgitterbänken, gespeicherter DNA und organischer Ersatzteile ganz neu aufgebaut. Aber du hast Recht, selbst die langsamsten Heilungsprozesse dauern nicht länger als achtundvierzig Stunden.«
    Daeman öffnete die Hände und sah Harman an. »Also zwei Tage ab dem Moment, an dem wir die Klinik übernehmen.«
    »Falls es uns gelingt, sie zu übernehmen und den Faxprozess zu steuern«, erwiderte Harman zweifelnd.
    Der Magier stützte sich auf die Rücklehne seines Sessels. »Ich kann nichts tun, aber ich kann euch Informationen geben«, sagte er. »Ich kann euch erklären, wie die Faxsteuerung funktioniert.«
    »Aber wir werden nicht imstande sein, selbst hinunterzufaxen?«, fragte Harman erneut. Offensichtlich beunruhigte ihn der Gedanke, das Sonie benutzen zu müssen.
    »Nein«, sagte Prospero.
    »Können wir die Servitoren so umprogrammieren, dass sie das Faxen erledigen?«, fragte Daeman.
    »Nein«, antwortete der Magier. »Ihr werdet sie zerstören oder deaktivieren müssen. Aber sie sind nicht für Konflikte programmiert.«
    »Wir auch nicht«, lachte Harman.
    Prospero kam um seinen Sessel herum. »O doch«, sagte er sehr leise, »das seid ihr. Bei euch Menschen – ganz

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