Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons

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Videobild im Rückwärtslauf nach innen zu falten, während die Flammen den letzten Rest des entweichenden Sauerstoffs verzehrten. Die Stadt auf der anderen Seite des Asteroiden, gegenüber der Einschlagstelle, wurde von der Oberfläche der kleinen Steinwelt geschleudert und zerstob in tausend verschiedene Flugbahnen, als das Glas, der Stahl und die pulsierenden exotischen Materialien in alle Richtungen auseinander flogen. Die meisten Sektionen feierten ihre eigenen, separaten Zerstörungsorgien, überall unterstrichen von weiteren lautlosen Explosionen und sich selbst verzehrenden Feuerbällen.
    Eine Sekunde nach dem Einschlag erschauerte der ganze, kilometerlange Asteroid und schickte den Trümmern der Stadt konzentrische Wellen aus Staub und Gas hinterher. Dann zerbrach er.
    »Flieg schneller!«, rief Harman.
    Daeman wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte das Schiff mit vollem Tempo zur Erde hinabtauchen lassen und war knapp vor den Flammen, den Trümmern und den Wellen gefrorener Gase geblieben, aber jetzt leuchteten überall auf dem virtuellen Bedienungsfeld rote, gelbe und grüne Warnlämpchen auf. Noch schlimmer, nun waren außerhalb des Sonies doch noch Geräusche zu vernehmen – ein verdächtiges Zischen und Knistern, das sich binnen Sekunden zu einem beängstigenden Tosen steigerte. Aber das Schlimmste war, dass sich ein orangefarbenes Glühen um die Ränder des Sonies herum rasch in eine Kugel aus Flammen und blauem elektrischem Plasma verwandelte.
    »Was ist los?«, rief Hannah. »Wo sind wir?«
    Daeman beachtete sie nicht. Er wusste nicht, was er mit dem Schubregler und der Fluglagesteuerung machen sollte. Das Tosen wurde immer lauter, und die Flammenhülle um sie herum wurde dichter.
    »Ist das Sonie beschädigt?«, rief Harman.
    Daeman schüttelte den Kopf. Das glaubte er nicht. Vermutlich lag es daran, dass sie mit so hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre eintraten. Im Alter von sechs oder sieben Jahren war er im Haus eines Freundes in Paris-Krater einmal trotz der Ermahnungen seiner Mutter ein langes Treppengeländer hinuntergerutscht, in hohem Tempo auf den Fußboden geflogen und dann auf bloßen Händen und Knien über den dicken Teppich des Freundes seiner Mutter geschlittert. Er hatte sich dabei böse verbrannt und es nie wieder getan. Diese Reibung fühlte sich für Daeman so ähnlich an.
    Er beschloss, Harman und Hannah nichts von seiner Theorie zu sagen. Sie klang selbst für ihn ein bisschen albern.
    »Tu etwas!«, rief Harman über das Tosen und Knistern hinweg, das sie umgab. Im Zentrum dieses ganzen elektrischen Wahnsinns standen beiden Männern die Haare zu Berge; selbst ihre Bärte sträubten sich. Die kahlköpfige Hannah – selbst ihre Augenbrauen waren fort – schaute sich mit großen Augen um, als wäre sie im Irrsinn erwacht.
    Bevor der Lärm alles andere übertönte, rief Daeman den virtuellen Kontrollen zu: »Autopilot!«
    »Autopilot einschalten?« Die neutrale Stimme des Sonies ging beinahe im Wiedereintrittsgetöse unter. Daeman spürte die Hitze durch das Kraftfeld und wusste, dass das nicht gut sein konnte.
    »Autopilot einschalten!«, schrie er aus vollem Hals.
    Das Kraftfeld senkte sich auf die drei Menschen herab und presste sie in ihre Mulden. Das Sonie drehte um hundertachtzig Grad, und die Hecktriebwerke feuerten mit solcher Kraft, dass Daeman glaubte, ihm würden die Zähne aus dem Kopf gerüttelt. Unter dem Bremsdruck schmerzte sein Arm so höllisch, als würde er ihm abgeschert.
    »Wiedereintritt auf vorprogrammierter Flugbahn?«, fragte das Sonie im gelassenen Ton des idiot savant, der es war.
    »Ja«, rief Daeman. Sein Genick schmerzte von dem schrecklichen Druck, und er war sicher, dass sein Rückgrat gleich brechen würde.
    »War das eine Bestätigung?«, fragte das Sonie.
    »Ja, das war eine Bestätigung!«, schrie Daeman.
    Weitere Triebwerke feuerten. Das Sonie hüpfte wie ein geworfener Stein, der über die Wasseroberfläche eines Teichs titschte, wurde noch zweimal vom Wiedereintrittsfeuer umhüllt und richtete sich dann irgendwie auf.
    Daeman hob den Kopf.
    Sie flogen – flogen in solcher Höhe, dass sich der Rand der Erde vor ihnen noch immer krümmte und die Berge tief unter ihnen nur an der weißen Schneetextur gegenüber den braunen und grünen Erdfarben als Berge zu erkennen waren – aber sie flogen. Dort draußen war Luft.
    Daeman stieß einen Jubelschrei aus und umarmte Hannah in ihrem blauen Thermohautanzug, jubelte dann erneut und