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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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jetzt werden wir feststellen, ob er funktioniert«, verkündete Hannah. Aus ihrer Stimme klangen Erschöpfung und Begeisterung zugleich.
    Die Gäste am sandigen Flussufer mussten beiseite treten. Daeman zog sich zu der Grasnarbe bei den Tischen zurück, während all die jungen Leute – und dieser abscheuliche Harman – hektische Betriebsamkeit entfalteten. Funken flogen höher. Hannah lief zum oberen Ende des Bauwerks hinauf, während Harman unten in die vom Lehmofen im Zaum gehaltenen Flammen spähte und nach diesem und jenem rief. Emme betätigte den Blasebalg, bis sie nicht mehr konnte, und wurde dann von dem dünnen Mann namens Loes abgelöst. Daeman hörte mit halbem Ohr zu, wie Ada ihren dicht zusammengedrängten Freunden atemlos weitere Einzelheiten erklärte. Er fing Wortfetzen wie »Windleitung«, »Schieber«, »abgekühlte Schlacke« (obwohl die Flammen heißer und höher loderten als je zuvor) und »Winddruck« auf. Daeman trat weitere fünf, sechs Meter zurück.
    »Abstichtemperatur zwölfhundertsechzig Grad!«, rief Harman zu Hannah hinauf. Die schlanke Frau wischte sich Schweiß von der Stirn, nahm hoch oben an dem Ofen eine Einstellung vor und nickte. Daeman rührte in seinem Drink und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis er Ada in eine Karriole bekam und allein mit ihr nach Ardis Hall zurückfuhr.
    Auf einmal entstand ein Aufruhr, und Daeman blickte in der Gewissheit von seinem Drink auf, das ganze Bauwerk in Flammen aufgehen und Hannah und Harman wie Strohpuppen brennen zu sehen. Nicht ganz. Während Hannah tatsächlich mit einem Lappen Flammen auf der Leiter unter dem oberen Rand des Kuppelofens löschte – wobei sie hilfsbereite Servitoren und einen der Vòynixe, die näher gekommen waren, um die Menschen vor Schaden zu bewahren, mit einer Handbewegung wegscheuchte –, hatten Harman und zwei andere aufgehört, in dem brennenden Ofen herumzustochern, und soeben ein »Abstichloch« geöffnet, sodass eine Art gelbe Lava in hölzernen Rinnen auf den Strand fließen konnte.
    Einige Gäste schoben sich nach vorn, aber Hannahs Warnrufe und die Hitze, die von dem Strom aus flüssigem Metall ausging, scheuchten sie wieder zurück.
    Die grob zurechtgeschnitzten und ausgekleideten Rinnen rauchten zwar, gerieten aber nicht in Brand, als das gelbrote Metall träge aus dem Konstrukt heraus und an den Leitern vorbeifloss und sich auf dem letzten halben Meter in eine kreuzförmige Gussform im Sand ergoss.
    Hannah stieg eilig die Leiter herunter und half Harman, das Abstichloch zu verschließen. Sie spähten beide durch ein Guckloch in den Ofen, machten etwas mit dem »Schlackenloch«, wie Ada einem Gast erklärte (Daeman erinnerte sich undeutlich, dass es nicht mit dem Abstichloch identisch war), und die junge Frau und der ältere Mann – der bald ein toter älterer Mann sein würde, dachte Daeman grausam – sprangen von dem Bauwerk auf den Sand, liefen zur Gussform hinüber und schauten hinein. Auch andere Gäste, die am Strand gestanden hatten, strömten herbei. Daeman schlenderte ebenfalls hin und stellte sein Glas unterwegs auf das Tablett eines vorbeischwebenden Servitors.
    Die Luft unten am Fluss war sehr kühl, aber die Hitze, die von der rot glühenden Gussform im Sand ausging, schlug Daeman wie eine feurige Faust ins Gesicht.
    Das geschmolzene Zeug gerann zu einer rotgrauen, kreuzförmigen Masse.
    »Was ist das?«, fragte Daeman laut. »Ein religiöses Symbol?«
    »Nein.« Hannah nahm ihr Stirnband ab und wischte sich über das verschwitzte, rußverschmierte Gesicht, Sie lächelte wie eine Irre. »Das ist der erste Bronzeguss seit … seit wann, Harman? Seit tausend Jahren?«
    »Eher seit dreitausend«, sagte der ältere Mann leise.
    Die Gäste murmelten und applaudierten.
    Daeman lachte. »Wozu ist das gut?«, fragte er.
    Der schwitzende Mann mit dem nackten Oberkörper blickte zu ihm auf. »Wozu ist ein neugeborenes Baby gut?«
    »Genau was ich meine«, sagte Daeman. »Laut, anstrengend, übel riechend – und zu nichts nütze.«
    Die anderen ignorierten ihn, und Ada umarmte Hannah, Harman und die anderen Ofenbauer, als hätten sie wirklich etwas Bedeutendes vollbracht. Gäste liefen durcheinander. Harman und Hannah kletterten Leitern hinauf, machten sich hier und dort zu schaffen, schauten durch Gucklöcher und stocherten mit Metallstangen im Ofen, als wollten sie noch mehr Lava produzieren. Offenbar sollte diese Pyrotechnik-Show bis in die Nacht hinein weitergehen.
    Da er auf

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