Ilium
schon aufgefallen, dass Ares für einen Gott ziemlich dumm ist. Heute stellt er es unter Beweis. »Er wagt es, mich zu verspotten??!!«
»Töte ihn!«, ruft Apollo, immer noch im Ultraschallbereich. »Schneide ihm das Herz heraus und verspeise es!« Und der Gott des silbernen Bogens qtet davon.
Ares rastet aus. Ich komme zu dem Schluss, dass ich noch nicht weg kann. Ich möchte unbedingt zum Olymp qten, um nachzusehen, wie schwer Aphrodite verwundet ist, aber dies hier ist so interessant, dass ich es auf gar keinen Fall verpassen will.
Als Erstes verwandelt sich der Kriegsgott in Akamas, den flinken Führer der Thraker. Er läuft unter den durcheinander stolpernden Trojanern hin und her und treibt sie wieder in den Kampf, damit sie die Griechen aus der Frontausbuchtung zurückwerfen, die entstanden ist, als sie Diomedes in die Linien der Trojaner hinein gefolgt sind. Dann morpht Ares zu Sarpedon und verspottet Hektor – der Held bleibt dem Kampf mit seltener Zurückhaltung fern. Beschämt von Sarpedons vermeintlichen Vorwürfen, schließt Hektor sich wieder seinen Männern an. Als Ares sieht, dass Hektor das Gros der trojanischen Kämpfer zusammentrommelt, nimmt der Gott seine eigene Gestalt an und gesellt sich zum Kreis der Kämpfer, die das Hologramm des bewusstlosen Äneas vor den Griechen schützen.
Ich muss gestehen, dass ich in meinen neun Jahren hier noch nie derart heftige Kämpfe gesehen habe. Wenn Homer uns etwas gelehrt hat, dann dass der Mensch ein zerbrechliches Gefäß ist, ein fleischlicher Krug voller Blut und losen Gedärms, der nur daraufwartet, ausgegossen zu werden.
Jetzt wird er ausgegossen.
Die Achäer warten nicht ab, bis Ares wieder Luft bekommt, sondern setzen mit Streitwagen und Speeren zum Sturmangriff an, vorneweg ihre wilden Führer Diomedes und Odysseus. Pferde schreien. Streitwagen splittern und stürzen um. Reiter treiben ihre Rösser in eine Wand aus Speerspitzen und glänzenden Schilden. Diomedes eilt wieder an die Front und ruft seine Männer herbei, während er jeden Trojaner tötet, der in seine Reichweite kommt. In einem Strudel aus purpurrotem Nebel erscheint Apollo erneut auf dem Schlachtfeld und entlässt den echten Äneas ins Kampfgetümmel. Der junge Mann ist geheilt worden, und mehr noch – ein Leuchten geht von ihm aus wie von dem modifizierten Diomedes, nachdem Athene mit ihm fertig war. Die Trojaner, die sich bereits hinter Hektor sammeln, stoßen beim Anblick ihres wiederauferstandenen Führers ein massenhaftes Jubelgeschrei aus und gehen zum Gegenangriff über.
Jetzt bestimmen Äneas und Diomedes das Kampfgeschehen auf ihrer jeweiligen Seite der Front. Sie töten Gegner en masse, während Apollo und Ares weitere Trojaner ins Gefecht schicken. Ich beobachte, wie Äneas die unvorsichtigen achäischen Zwillinge Orsilochos und Krethon niedermacht.
Menelaos, der sich von seiner Verletzung erholt hat, drängt sich an Odysseus vorbei und stürmt auf Äneas zu. Ich höre Ares lachen. Der Kriegsgott wäre begeistert, wenn Agamemnons Bruder, Helenas wahrer Gatte, der Mann, der seine Frau verlegt und dadurch diesen Krieg angezettelt hat, heute niedergestreckt werden würde. Äneas und Menelaos nähern sich einander auf Armeslänge, und die anderen Kämpfer weichen aus Respekt vor der Aristie zurück. Die beiden Recken stoßen mit ihren Lanzen zu und fintieren, stoßen zu und fintieren.
Auf einmal springt Nestors Bruder Antilochos, ein guter Freund des fast schon vergessenen Achilles, nach vorn und steht Schulter an Schulter mit Menelaos. Offenbar fürchtet er, dass die griechische Sache mit ihrem Anführer stirbt, wenn er nicht eingreift.
Mit zwei legendären Männertötern statt nur einem konfrontiert, weicht Äneas zurück.
Zweihundert Meter östlich von diesem Kampf ist Hektor mit solcher Wildheit in die achäischen Linien vorgedrungen, dass sogar Diomedes mit seinen Männern den Rückzug antritt. Zweifellos sieht Diomedes mit seinem gesteigerten Sehvermögen den für die anderen unsichtbaren Ares an Hektors Seite kämpfen.
Ich will immer noch weg, um nach Aphrodite zu sehen, aber ich kann mich einfach nicht losreißen. Ich sehe, dass Nightenhelser sich auf seinem Ansible-Recorder wie wild Notizen macht. Das bringt mich zum Lachen, weil die Tausende edler Trojaner und Argeier, die hier kämpfen, alle so wenig lesen und schreiben können wie zweijährige Kinder. Wenn sie Nightenhelsers Gekritzel fänden, würde es für diese Männer – selbst wenn es Griechisch
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