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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Harman.
    »Was hast du da vorhin im Dunkeln gesehen?«, fragte Hannah. »Diese Kratzer im Stein?«
    »Das waren Zahlen«, sagte Harman.
    Daeman lachte. »Nein, waren es nicht. Ich weiß, was Zahlen sind. Wir alle wissen es. Das waren keine Zahlen.«
    »Es waren Zahlen in Form von Wörtern.«
    »Es sah nicht aus wie die Kringel in Büchern«, sagte Ada. »Wörter.«
    »Nein«, sagte Harman. »Ich glaube, es war eine Schrift, die man mit der Hand schrieb. Die Wörter waren verschlungen, miteinander verbunden und ein bisschen abgeschmirgelt vom Wind – ich vermute, sie wurden damals beim letzten Burning Man geschrieben –, aber ich konnte sie lesen.«
    »Wörter«, lachte Daeman. »Gerade eben hast du noch gesagt, es seien Zahlen gewesen.«
    »Was bedeuteten sie?«, fragte Hannah.
    Harman schaute sich erneut um. »Acht-acht-vier-neun«, sagte er leise.
    Ada schüttelte den Kopf. »Klingt wie ein Faxknoten-Code, ist aber viel zu hoch. Ich habe noch nie von einem Code gehört, der mit zwei Achten angefangen hat.«
    »Es gibt keine«, sagte Daeman.
    Harman zuckte die Achseln. »Kann sein. Aber wenn wir hier fertig sind, probiere ich es beim Kernknoten hier aus.«
    Ada schaute zum fernen Horizont. Über ihnen waren die Ringe zu sehen, zwei milchige Bänder, die sich an einem blassblauen Himmel kreuzten. »Hast du die vier Thermohäute deshalb behalten, statt sie auf Anweisung der Servitoren in den Mülleimer zu werfen?«
    »Ich wusste nicht, dass du’s bemerkt hast«, sagte Harman. Er grinste und trank Wein. »Ich habe versucht, es heimlich zu machen. Ich glaube, ich bin nicht sehr gut in Heimlichkeiten. Wenigstens waren die Servitoren schon weg.«
    Wie aufs Stichwort hin schwebte ein Servitor herbei, um ihre Gläser nachzufüllen. Die kleine, kugelrunde Maschine hing jenseits der Wand in der Luft – zweihundertfünfzig Meter über dem rotgelben Erdboden –, während sie mit ihren zierlichen, weiß behandschuhten Händen Wein in ihre Gläser goss.
     
    Wenn Harman nicht darauf bestanden hätte, dass sie vor dem Faxen in ihre Thermohäute schlüpften und ihre Kleider darüberzogen, wären sie vielleicht gestorben.
    »Herr im Himmel«, rief Daeman, »wo sind wir? Was ist los?«
    Um sie herum war kein Faxknoten-Pavillon. Code 8849 hatte sie direkt in Dunkelheit und Chaos geführt. Wind heulte. Unter ihren Füßen war Eis. Bei jedem Schritt, den die vier in der kreischenden Schwärze taten, stießen sie gegen scharfe und spitze Dinge. Selbst das Faxportal hinter ihnen war verschwunden.
    »Ada!«, rief Harman. »Die Lampe!« Ihre Kapuzen waren mit Nachtsicht ausgestattet, aber momentan hatte sie keiner von ihnen auf, und in dieser absoluten Schwärze schien es kein Restlicht zu geben, das verstärkt werden konnte.
    »Ich versuche, sie anzukriegen … so!« Die kleine Taschenlampe, die sie sich von Tobi geliehen hatte, warf einen dünnen Strahl in die Nacht und beleuchtete eine offene, von Eis gerahmte Tür, meterlange Eiszapfen und gefrorene Eiswellen unter ihren Füßen. Ada ließ das Licht der Taschenlampe im Kreis wandern, und drei Gesichter starrten sie an. Die Überraschung war jedem von ihnen deutlich anzusehen.
    »Hier ist kein Pavillon«, sagte Harman laut.
    »An jedem Faxknoten gibt es einen Pavillon«, erwiderte Daeman. »Ein Portal ohne Knoten-Pavillon ist ein Ding der Unmöglichkeit. Stimmt’s?«
    »Nicht in der alten Zeit«, sagte Harman. »Damals gab es Tausende von privaten Knoten.«
    »Wovon redet er?«, rief Daeman. »Machen wir, dass wir hier wegkommen!«
    Ada schwenkte den Lichtstrahl wieder in den Raum, in den sie gefaxt waren. Dort war kein Portal. Sie befanden sich in einem kleinen Raum mit Regalen, Ladentischen und Wänden. Alles war mit Eis überzogen. Außerdem fehlte der in jedem Fax-Pavillon vorhandene Sockel mit der Faxknoten-Codetafel in der Mitte des Raums. Das bedeutete, es gab keinen Weg hinaus, keinen Weg zurück. Eine Million Eisflocken tanzten im Lichtstrahl der Taschenlampe. Jenseits der Wände heulte der Wind.
    »Was du vorhin gesagt hast, Daeman, scheint wahr zu sein«, sagte Harman.
    »Was? Was habe ich vorhin gesagt?«
    »Dass wir gefangen sind. Gefangen wie Ratten.«
    Daeman blinzelte, und der Lichtstrahl bewegte sich weiter zu den eisbedeckten Wänden. Der Wind heulte lauter.
    »Klingt wie der Wind im Trockental«, sagte Hannah. »Aber da waren keine Gebäude. Oder?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Harman. »Aber ich vermute, wir sind trotzdem in der Antarktis.«
    Ada ging durch die

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