Ilium
und begann sich vor aller Augen auszuziehen. Hannah machte fünf Schritte und gesellte sich zu ihr; sie legte ihre Hemdbluse und die seidene Ballonhose ab.
Daeman fielen einen Moment lang beinahe die Augen aus dem Kopf. Harman trat zu ihm, tippte ihm an den Arm und führte ihn zur anderen Seite des Kreises, wo er sich ebenfalls zu entkleiden begann. Daeman schaute sich beim Ausziehen mehrmals zu den Frauen um – im Licht der Halogenlampen über ihnen leuchtete Adas Haut warm und weich; Hannah war schlank, kräftig und braun. Sie blickte auf, während sie die Thermohaut über die Beine hochzog, und funkelte Daeman an. Er wandte rasch den Blick ab.
Als die vier wieder in der Mitte des Pavillons standen, trugen sie nur ihre Schuhe oder Stiefel über den Thermohäuten. Ada lachte. »Diese Dinger entblößen uns mehr, als wenn wir nackt wären«, sagte sie.
Daeman trat verlegen von einem Bein aufs andere, weil es stimmte, aber Harman lächelte durch seine Maske. Die Thermohaut war eher eine Farbschicht als ein Kleidungsstück.
»Warum haben wir verschiedene Farben?«, fragte Daeman. Ada war leuchtend gelb, Hannah orange, Harman strahlend blau, Daeman grün.
»Damit Sie einander leichter erkennen«, antwortete der Servitor, als wäre die Frage an ihn gerichtet gewesen.
Ada lachte erneut – dieses freie, unbekümmerte, ungehemmte Lachen, das beide Männer dazu brachte, ihr einen raschen Blick zuzuwerfen. »Tut mir Leid«, sagte sie. »Es ist nur … selbst aus einiger Entfernung könnte man uns wohl kaum verwechseln.«
Harman ging zum Kraftfeld und legte seine blaue Hand dagegen. »Dürfen wir jetzt hinaus?«, fragte er die Servitoren.
Die Maschinen antworteten nicht, aber das Kraftfeld flackerte leicht, Harmans Hand ging hindurch, und dann schien sich sein blauer Körper durch einen silbernen Wasserfall zu bewegen, als er das Feld durchquerte.
Die Servitoren folgten den vieren in die stürmische Dunkelheit.
»Wir brauchen eure Begleitung nicht«, sagte Harman zu den Maschinen. Daeman merkte, dass seine Stimme im Wind unterging, konnte ihn aber durch die Kapuze der Thermohaut deutlich hören. Der Molekularanzug enthielt eine Übertragungsvorrichtung und Kopfhörer.
»Verzeihung, Harman Uhr«, erklärte der erste Servitor. »Leider doch. Wegen des Lichts.« Beide Servitoren erhellten den unebenen Boden mit mehreren Lichtstrahlen aus ihren Gehäusen.
Harman schüttelte den Kopf. »Ich habe diese Thermohäute schon früher benutzt, im Hochgebirge und hoch oben im Norden. In den Kapuzengläsern sind Restlichtverstärker.« Er legte die Hand an die Schläfe und tastete einen Moment lang herum. »So. Jetzt kann ich sehr gut sehen. Die Sterne leuchten hell.«
»Du meine Güte«, entfuhr es Ada, als sich ihre Nachtsicht einschaltete. Statt der kleinen Lichtkreise der Servitorenstrahler war jetzt das gesamte Trockental zu sehen; jeder Stein, jeder Felsbrocken leuchtete hell. Als sie hochschaute, raubten ihr die gleißenden Sterne den Atem. Sie blickte sich zum erleuchteten Faxknoten-Pavillon um; er war ein leuchtender, brausender Hochofen aus Licht. Ihre Thermohäute leuchteten farbig.
»Das ist wirklich … wunderschön.« Hannah entfernte sich zwanzig Schritte von der Gruppe und sprang dabei von Stein zu Stein. Sie befanden sich auf dem Grund eines breiten, steinigen Tals, dessen Wände zu beiden Seiten allmählich anstiegen. Über ihnen leuchteten Schneefelder im Sternenlicht strahlend blauweiß, aber das Tal selbst war gänzlich schneefrei. Wolken zogen wie phosphoreszierende Schafe vor die Sterne. Der Wind heulte um sie herum und rüttelte sie durch, wenn sie reglos dastanden.
»Mir ist kalt«, sagte Daeman. Er trat von einem Fuß auf den anderen, denn er hatte nur leichte Slipper an.
»Ihr könnt zum Pavillon zurückkehren und uns allein lassen« sagte Harman zu den Servitoren.
»Mit allem gebührenden Respekt, Harman Uhr, unsere Personenschutzprogrammierung erlaubt es uns nicht, Sie hier allein zu lassen, wo Sie Gefahr laufen, verletzt zu werden oder sich im Trockental zu verirren«, erwiderte einer der Servitoren. »Aber wir ziehen uns etwas zurück, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Das ist uns lieber«, sagte Harman. »Und schaltet die verdammten Strahler aus. Sie sind zu hell in unseren Nachtsichtgläsern.«
Beide Servitoren gehorchten. Sie schwebten zum Faxknoten-Pavillon zurück. Hannah ging durch das Tal voran. Es gab dort keine Bäume, kein Gras, keine wie auch immer gearteten Lebenszeichen,
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