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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Minuten, in denen das Sonie seine Höhe beibehielt, entspannten sich die vier Passagiere allmählich ein wenig; sie passten sich an die fremdartige, neue Situation an, wie Menschen es seit unvordenklichen Zeiten immer getan haben. Harman hatte sich auf die Seite gedreht und schaute gerade zu den leuchtenden Sternen hinauf, die zwischen einzelnen Wolken zum Vorschein kamen, als Ada ihn mit dem Ruferschreckte: »Schaut! Da vorn!«
    Ein großer Eisberg war über dem dunklen Horizont sichtbar geworden, und das Sonie raste direkt darauf zu. Die Maschine war über andere Eisberge hinweg oder an ihnen vorbeigeflogen, aber keiner war so ausladend gewesen – in ihrer Nachtsicht erstreckte er sich kilometerweit nach beiden Seiten wie eine glänzende, blauweiße Wand –‚ und keiner so hoch – es war nicht zu übersehen, dass der Gipfel dieses monströsen Dings oberhalb ihrer gegenwärtigen Flughöhe lag.
    »Was können wir tun?«, fragte Ada bang.
    Harman schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung, wie schnell das Sonie flog – keiner von ihnen war jemals schneller gereist als mit einer von Voynixen gezogenen Droschke –, aber es flog auf jeden Fall schnell genug, dass der Aufprall sie vernichten würde.
    »Hast du noch andere Bedienungselemente an deinem Handgriff?«, fragte Hannah. Ihre Stimme war seltsam ruhig.
    »Nein«, sagte Harman.
    »Wir könnten springen«, meldete sich Daeman zu Wort. Er lag hinter ihnen und links von Harman. Das Sonie neigte sich ein wenig, als Daeman sich auf Knie und Ellbogen hochrappelte. Sein Kopf war gerade noch im Innern der Kraftfeldkuppel.
    »Nein!« Harman legte seine ganze Befehlsgewalt in die Silbe. »Du würdest in diesem Meer keine dreißig Sekunden überleben, selbst wenn du den Sturz überstündest … aber das würdest du nicht. Leg dich wieder hin!«
    Daeman sank wieder auf den Bauch.
    Das Sonie flog weder langsamer noch änderte es seinen Kurs. Die Stirnwand des Eisbergs – Harman schätzte, dass das Ding mindestens drei Kilometer Durchmesser hatte – raste auf sie zu und wurde immer höher. Harman schätzte, dass er mindestens hundert Meter weit aus dem Wasser ragte. Sie würden auf einem Drittel seiner Höhe in die kalte Wand einschlagen.
    »Wir können gar nichts tun?«, sagte Ada. Es klang eher wie eine Feststellung als wie eine Frage.
    Harman nahm seine Kapuze ab und sah sie an. Innerhalb ihres Kraftfeld-Cockpits war die kalte Luft nicht so schlimm. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Tut mir Leid.« Er streckte die rechte Hand in ihre Richtung aus und ergriff ihre linke. Sie schob sich die Thermohautkapuze herunter, damit er ihre Augen sehen konnte. Ein paar Sekunden lang verschränkten sie ihre Finger.
     
    Wenige hundert Meter vor der spektakulären Kollision wurde das Sonie langsamer und gewann an Höhe. Es zischte knapp drei Meter über die Oberkante des Eisbergs hinweg, schwenkte nach rechts und flog über die Eisfläche nach Süden. Es wurde noch langsamer, blieb in der Luft stehen und sank dann auf den Boden herunter. Schnee zischte unter seiner erhitzten Unterseite.
    Harman und die anderen blieben einen Moment lang still liegen und hielten sich an den Handgriffen fest, ohne miteinander zu reden.
    Die Kraftfeldkuppel verschwand, und auf einmal brannte Harmans Gesicht von der schrecklichen Kälte und dem Wind. Er zog hastig seine Kapuze über und warf Ada einen Blick zu, während sie es ihm gleichtat.
    »Wir sollten machen, dass wir von diesem Ding runterkommen, bevor es beschließt, uns woandershin zu bringen«, sagte Hannah leise über Funk.
    Sie krabbelten herunter. Der Wind schlug auf sie ein, sodass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätten, ließ nach und schlug erneut zu. Sprühnebel prasselte gegen ihre Überkleidung und ihre Kapuzen.
    »Was nun?«, flüsterte Ada.
    Wie zur Antwort leuchtete eine Doppelreihe roter Infrarot-Baken auf. Sie markierten einen drei Meter breiten Weg, der vom Sonie aus … ins Nichts führte.
    Sie gingen zusammen und stützten sich gegenseitig im Wind. Wenn die Baken in ihrer Nachtsicht nicht so hell gewesen wären, hätten sie dem Wind den Rücken zugedreht und sich binnen Sekunden verirrt – bis sie schließlich irgendwo zu ihrer Rechten über den Rand des Eisbergs gefallen wären.
    Der Weg endete in einem Loch in der Oberfläche des Eisbergs. Ins Eis gehackte Stufen verschwanden in der Tiefe, von wo ebenfalls ein roter Lichtschein heraufdrang.
    »Sollen wir?«, sagte Hannah.
    »Haben wir eine andere Wahl?«, fragte

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