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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schreckliche Sekunden, als ihm offenkundig das Ausmaß seiner Verletzungen zu Bewusstsein kam. »Dann achtern. Am weitesten von der Explosion entfernt. Direkt über dem Triebwerkscluster.«
    Mahnmut verschwieg seinem Freund, dass die externen Triebwerke ebenfalls verschwunden waren. Er stieß sich nach hinten ab, fand die Halterung und band die Mikrofaserleine mit einem unlösbaren Knoten fest. Wenn Moravec Mahnmut eines mit den menschlichen Seeleuten gemein hatte, seinen jahrtausendelangen Vorgängern auf den irdischen Meeren, dann das Wissen, wie man einen guten Knoten band.
    »Halt dich fest«, sagte Mahnmut über die Festleitung. »Ich ziehe dich raus. Und keine Angst, falls wir den Kontakt verlieren. Hier gibt es momentan eine Menge Vektorkräfte.«
    »Das ist Wahnsinn!«, rief Orphu. Seine Stimme klang immer noch kratzig. »In der Dark Lady ist kein Platz, und ich nütze dir nichts, selbst wenn du mich dorthin schaffen kannst. Ich habe nichts mehr, womit ich mich festhalten kann.«
    »Sei still«, sagte Mahnmut mit ruhiger Stimme und fügte hinzu: »Mein Freund.«
    Mahnmut zündete sämtliche Düsen seines Aggregats und löste gleichzeitig das Seil vom Haken.
    Orphu wurde aus seiner Hüllenwiege herausgezogen. Das Taumeln des Schiffes erledigte den Rest; die beiden Moravecs schwangen hundert Meter weit hinaus, weg vom Schiff.
    Während Delta-V-Berechnungen sein Sichtfeld trübten und der Mars und die Sterne noch immer alle zwei Sekunden die Plätze tauschten, straffte Mahnmut das Seil und zündete dann die Triebwerke – der Energieverbrauch war atemberaubend –, bis sie sich der Taumelgeschwindigkeit angepasst hatten. Dann zog er sich an dem langen Seil zur Dark Lady.
    Orphu hatte eine beträchtliche Masse, deren Zugkraft von der Taumelbewegung noch verstärkt wurde, aber das Seil war ebenso unnachgiebig wie Mahnmuts Wille. Er zog sie mit der Sperrklinkenvorrichtung an die offene Ladebucht des wartenden U-Boots heran.
    Das Raumschiff begann sich unter der Belastung aufzulösen. Stücke des Hecks brachen los und flogen an Mahnmut vorbei, der sich an Orphus Panzer klammerte; zwei Tonnen Metall verfehlten den Kopf des kleineren Moravecs um keine fünf Meter. Mahnmut zog sie immer näher heran.
    Es war sinnlos. Um die Dark Lady herum brach das Schiff auf, und Explosionen zerrissen den Rumpf weiter, als sich freigesetzte Gase entzündeten und Druckkammern im Innern nachgaben. Mahnmut würde niemals bis zum U-Boot gelangen, bevor er zerrissen wurde.
    »Na schön«, sagte Mahnmut leise. »Dann muss eben der Berg zum Propheten kommen.«
    »Was?«, rief Orphu. Er klang zum ersten Mal erschrocken.
    Mahnmut hatte vergessen, dass die Festleitung noch funktionierte. »Nichts. Halt dich fest!«
    »Womit denn, mein Freund? Meine Manipulatoren und Hände sind weg. Halte du dich an mir fest.«
    »In Ordnung.« Mahnmut zündete sämtliche Triebwerke, die er hatte. Er brauchte die Energievorräte des Aggregats so schnell auf, dass er auf Notreserve umschalten musste.
    Es funktionierte. Die Dark Lady glitt aus der dunklen Ladebucht des Schiffes. Sekunden später riss der Bauch des Raumschiffs auf.
    Mahnmut vergrößerte den Abstand mit Hilfe der Triebwerke. Er sah, wie Klumpen geschmolzenen Metalls auf Orphus armen, ramponierten Panzer klatschten. »Tut mir Leid«, flüsterte er, während er das taumelnde U-Boot mit dem letzten Rest Treibstoff weiter von dem sterbenden Raumschiff wegzog.
    »Was tut dir Leid?«, fragte Orphu.
    »Nicht so wichtig«, keuchte Mahnmut. »Erzähl ich dir später.«
    Er zog, schob, stieß und bugsierte den riesigen Ionier mit allen Moravec-Mitteln in die fast leere Ladebucht. In der Dunkelheit darin war es besser; die wilde Kreiselbewegung – Sterne/ Planet/Sterne/Planet – verursachte Mahnmut nicht länger ein Schwindelgefühl.
    Er stopfte seinen Freund in die größte Nische des Laderaums und aktivierte die verstellbaren Klammern.
    Orphu war jetzt in Sicherheit. Wahrscheinlich waren sie alle drei – die Dark Lady und die beiden Moravecs – zum Untergang verurteilt, aber zumindest würden sie ihre Existenz gemeinsam beenden. Mahnmut befestigte die Kommunikationsleitungen des U-Boots am Festleitungs-Port.
    »Fürs Erste bist du in Sicherheit«, keuchte er und spürte, dass sich die organischen Teile seines Körpers der Überlastungsgrenze näherten. »Ich trenne jetzt die Festleitung ab.«
    »Was …?«, begann Orphu, aber Mahnmut hatte die tragbare Leitung bereits gelöst und zog sich nun Hand

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