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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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er den Mars jemals erreichte. In diesem Augenblick war ihm das egal. Er brauchte den Raum.
    Mahnmut band das Seil an Halterungen in der Außenhülle der Dark Lady fest und flog mit seinem Düsenaggregat ins All hinaus, wobei er darauf achtete, dass er nicht mit den zerborstenen Toren der Ladebucht kollidierte.
    Sobald er draußen und sichere hundert Meter von dem taumelnden Schiff entfernt war, drehte er sich um hundertachtzig Grad, um sich einen ersten Eindruck von dem Schaden zu verschaffen.
    Es war schlimmer als erwartet. Wie Orphu beschrieben hatte, war der gesamte Bug des Raumfahrzeugs fort – der Kontrollraum und alles bis auf zehn Meter dahinter. Einfach abrasiert, als hätte es nie existiert. Nur eine leuchtende, sich langsam zerstreuende Plasmawolke um den Bug zeigte, wo Koros III. und Ri Po gewesen waren.
    Der übrige Schiffsrumpf war geborsten und in Stücke gerissen. Mahnmut konnte nur vermuten, was für katastrophale Folgen es gehabt hätte, wenn die Fusionstriebwerke, die Wasserstofftanks, die Matloff-Fennelly-Schaufel und andere Antriebsvorrichtungen nicht lange vor diesem Angriff abgeworfen worden wären. Die sekundären Explosionen hätten Orphu und ihn mit Sicherheit vaporisiert.
    Orphu? Mahnmut sendete jetzt per Funk und Engstrahl zugleich, aber die Spiegelantennen an der Hülle, die das Maser-Signal weiterleiteten, waren geschmolzen. Er bekam keine Antwort.
    Mahnmut flog mit Hilfe des Düsenaggregats zum vorderen Teil des Schiffes und über die Hülle hinweg. Er wich herumfliegenden Schrapnellen, glühenden Metallklumpen und dem dichtesten Teil der sich ausdehnenden Plasmawolke aus und hielt das Seil lose, damit er von der Taumelbewegung nicht um das sterbende Schiff herumgeschleudert wurde. Sie war jetzt so stark – Sterne, Mars, Sterne, Mars –, dass er die Augen schließen und sich den Weg um den Rumpf herum mit Hilfe des in das Aggregat eingebauten Radars suchen musste.
    Orphu lag noch in seiner Wiege. Eine Sekunde lang jubilierte Mahnmut innerlich – die Radarsignatur zeigte, dass sein Freund unbeschädigt und an seinem Platz war –, aber dann aktivierte er seine Augen und sah die Bescherung.
    Bei der Explosion, die den Bug abrasiert hatte, war auch der obere Rumpf des Schiffes bis zu Orphus Position verbrannt und geborsten, und wie der Ionier berichtet hatte, war sein schwarzer Panzer dabei auf einem Drittel seiner Länge aufgerissen und geschwärzt worden. Orphus vordere Manipulatoren fehlten. Seine vorderen Kommunikationsantennen waren abgerissen. Seine Augen verschwunden. Risse durchzogen die letzten drei Meter seiner Oberseite.
    »Orphu!«, rief Mahnmut per direktem Engstrahl.
    Nichts.
    Unter Einsatz jedes Megs seiner Rechenkapazitäten schätzte Mahnmut die relevanten Vektoren ab und flog zur oberen Hülle hinüber. Mit winzigen Schüben sämtlicher zehn Düsen korrigierte er seine gefährliche Flugbahn, bis er nur noch höchstens einen Meter von der Hülle entfernt war. Er zog die K-Pistole aus dem Gurt des Aggregats und schoss einen Haken in die Hülle, schlang dann seine Leine darum und sorgte dafür, dass sie sich nicht verheddern konnte. Er würde sich gleich wieder befreien müssen.
    Mahnmut zog das Seil straff und schwang wie ein Pendelarm in weitem Bogen hinter Orphus Wiege – obwohl »verbrannter Krater« jetzt eine treffendere Bezeichnung für die Mulde in der Hülle gewesen wäre.
    Während er sich an Orphus Panzer festhielt und seine kurzen Beine über ihm wild hin und her schwangen, klatschte Mahnmut einen Festleitungsaufkleber an den Körper seines Freundes, direkt hinter der Stelle, wo dessen Augen gewesen waren. »Orphu?«
    »Mahnmut?« Orphus Stimme war rau, aber kräftig. Vor allem klang sie überrascht. »Wo bist du? Wie erreichst du mich? Meine Kommunikationssysteme sind allesamt außer Betrieb.«
    Mahnmut verspürte eine Freude, wie sie nur wenigen von Shakespeares Figuren jemals vergönnt war. »Ich habe Kontakt mit dir. Per Festleitung. Ich hole dich hier raus.«
    »Das ist idiotisch!«, dröhnte die Stimme des Ioniers. »Ich bin nutzlos. Ich kann nicht …«
    »Halt die Klappe!«, unterbrach ihn Mahnmut. »Ich habe ein Seil. Ich muss dich festbinden. Wo …?«
    »Ungefähr zwei Meter hinter meinem Sensorbündel ist eine Seilhalterung«, sagte Orphu.
    »Nein, da ist keine.« Der Gedanke, einen Haken in Orphus Körper zu schießen, war Mahnmut zuwider, aber wenn es sein musste, würde er es tun.
    »Tja …«, begann Orphu und verstummte dann für ein paar

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