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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sehen. Tigerartige Wesen schlichen um sie herum. Das Sonie ging höher und bog in Richtung des Vorgebirges ab.
    Savi seufzte, als wäre sie müde. »RNA-Artisten. Künstler. Freischaffende Rekombinierer. Sozialrebellen und Scherzbolde mit Sequenzierern und illegalen Regen-Tanks.« Sie schaute zu Ada und Harman hinüber, dann zurück zu Daeman und Hannah. »Nicht so wichtig, Kinder«, sagte sie.
    Sie flogen eine weitere Viertelstunde über dampfende Wälder hinweg und bogen dann westwärts in eine Bergkette ab. Wolken hingen um die Gipfel und zogen zwischen ihnen hindurch, Schnee peitschte um das Sonie, aber irgendwie hielt das Kraftfeld die Elemente in Schach.
    Savi berührte ein leuchtendes Bild; das Sonie wurde langsamer, kreiste und wandte sich nach Westen in Richtung der Spätnachmittagssonne. Sie flogen in großer Höhe.
    »Du meine Güte«, entfuhr es Harman.
    Vor ihnen erhoben sich zwei steile Gipfel zu beiden Seiten eines schmalen Sattels mit grasbewachsenen Terrassen und sehr, sehr alten Ruinen, Steinmauern ohne Dächer. Eine Brücke – auch aus dem Untergegangenen Zeitalter, aber offensichtlich nicht so alt wie die Steinruinen – führte über die Ruinen hinweg von dem einen gezackten Gipfel zum anderen. Links und rechts von der Hängebrücke war keine Straße – die Fahrbahn endete jeweils vor einer Steinwand –, und die Fundamente waren in den Fels zwischen den Ruinen unter der Brücke eingelassen.
    Das Sonie kreiste.
    »Eine Hängebrücke«, flüsterte Harman. »Darüber habe ich schon mal etwas gelesen.«
    Ada war gut im Schätzen von Entfernungen, und sie vermutete, dass der Hauptbogen dieser Brücke fast anderthalb Kilometer lang war, obwohl das Straßenbett an mehreren Stellen weggebrochen war und den Blick auf rostigen Bewehrungsstahl und luftige Leere freigab. Sie schätzte, dass die beiden Türme – jeder wies einen uralten orangefarbenen Anstrich auf, trug jedoch vor allem Rost zur Schau – über zweihundert Meter hoch waren; die Turmspitzen ragten höher auf als die Berge zu beiden Seiten. Die Doppeltürme waren von einem grünen Bewuchs überzogen; aus der Ferne sah er wie Efeu aus, doch als das Sonie näher kam, sah Ada, dass der »Bewuchs« künstlich war – grüne Blasen, Treppen und Klumpen aus biegsamem, glasartigem Material, die sich um die Türme schlangen, an den schweren Hängekabeln entlangrankten, ja sich sogar an den Tragkabeln herabwanden und frei über der zerstörten Fahrbahn hingen. Wolken zogen von den hohen Gipfeln herab und vermischten sich mit dem Nebel, der aus den tiefen Schluchten unterhalb der Ruinen auf der Bergkuppe emporstieg, sich in schlangenartigen Fahnen um den Südturm kräuselte und die Fahrbahn und die Hängekabel dort verbarg.
    »Hat dieser Ort einen Namen?«, fragte Ada.
    »Golden Gate bei Machu Picchu.« Savi berührte die Bedienungselemente, um sie näher heranzubringen.
    »Was bedeutet das?«, fragte Harman.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Savi.
    Das Sonie umkreiste den Nordturm – mattes Orange und schuppenartiger Rost im hellen Sonnenschein außerhalb der Wolken –, schwebte langsam und vorsichtig zur Spitze des Turms und setzte geräuschlos auf.
    Das Kraftfeld erlosch. Savi nickte, und alle krabbelten herunter, streckten sich und schauten sich um. Die Luft war kalt und sehr dünn.
    Daeman schlenderte zum rostigen Rand der Turmspitze, beugte sich vor und schaute hinunter. Da er in Paris-Krater aufgewachsen war, kannte er keine Höhenangst.
    »An deiner Stelle würde ich nicht hinunterfallen«, warnte ihn Savi. »Hier gibt es keine Klinik-Rettung. Wenn man abseits der Faxknoten stirbt, bleibt man tot.«
    Daeman taumelte zurück. Er hatte es so eilig, vom Rand wegzukommen, dass er beinahe hingefallen wäre. »Was soll das heißen?«
    »Genau das, was ich gesagt habe.« Savi schulterte ihren Rucksack. »Hier gibt es kein Fax zur Klinik. Ihr müsst einfach versuchen, bis zu eurer Rückkehr am Leben zu bleiben.«
    Ada schaute zum Himmel. Durch die dünne Luft so hoch oben waren beide Ringe zu sehen. »Ich dachte, die Nachmenschen könnten uns von überall faxen, wenn wir … in Schwierigkeiten geraten.«
    »Zu den Ringen«, sagte Savi mit ausdrucksloser Stimme. »Wo euch die Klinik heilt. Wohin ihr nach eurem Fünften Zwanziger auffahrt, um euch zu den Nachmenschen zu gesellen.«
    »Ja«, sagte Ada schwach.
    Savi schüttelte den Kopf. »Es sind nicht die NMs, die euch wegfaxen und euch rekonstruieren, wenn euch etwas Schlimmes zustößt. Das sind

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