Illuminati
stellen! Doch ich stehe hier in Ihrem Büro… weil ich Ihnen gegenüber eine Verantwortung fühle. Ihnen gegenüber und anderen. Menschenleben sind in Gefahr, Monsignore. Verstehen Sie?«
Der Camerlengo antwortete nicht.
Vittoria spürte ihren eigenen rasenden Herzschlag. Warum konnte die Schweizergarde diesen verdammten Anrufer nicht zurückverfolgen? Der Assassine der Illuminati ist der Schlüssel zu allem! Er weiß, wo die Antimaterie versteckt ist… verdammt, er weiß auch, wo die Kardinale sind! Fang den Mörder, und alle Probleme sind gelöst!
Sie spürte, dass sie allmählich die Fassung zu verlieren drohte – ein merkwürdiges Gefühl, an das sie sich nur noch schwach aus Kindertagen erinnerte, aus den Jahren im Waisenhaus: Frustration und keine Möglichkeit, damit fertig zu werden. Du hast Möglichkeiten, sagte sie sich. Du hast immer Möglichkeiten. Doch es war sinnlos. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, drohten sie zu ersticken. Sie war eine Forscherin, darauf spezialisiert, Probleme zu lösen. Doch dies hier war ein Problem ohne Lösung. Welche Informationen sind nötig? Was willst du erreichen? Sie versuchte sich zu zwingen, ruhiger zu atmen, doch zum ersten Mal in ihrem Leben gelang es ihr nicht. Sie bekam keine Luft mehr.
Langdon schmerzte der Kopf. Alles erschien ihm unwirklich, als er Vittoria und den Camerlengo beobachtete – doch seine Sicht war verschwommen und durchsetzt von schlimmen Bildern: Explosionen, ausschwärmenden Journalisten, laufenden Kameras, gebrandmarkten Leichen.
Shaitan… Luzifer… Lichtbringer… Satan…
Er schüttelte die Bilder ab. Vorsätzlicher Terror, sagte er sich und griff nach dem Strohhalm der Realität. Geplantes Chaos. Er erinnerte sich an ein Seminar in der Radcliffe, das er anlässlich eines Forschungsprojekts über prätorianische Symbolologie gehört hatte. Damals hatte er gelernt, Terroristen mit anderen Augen zu sehen.
»Terrorismus«, hatte der Dozent gesagt, »verfolgt ein einziges Ziel. Welches?«
»Unschuldige Menschen zu töten?«, hatte ein Student geantwortet.
»Falsch. Tote sind lediglich ein Nebenprodukt des Terrorismus.«
»Eine Demonstration von Macht?«
»Nein. Es gibt nichts, das weniger überzeugend wirkt.«
»Angst und Schrecken zu verbreiten?«
»Mit knappen Worten: ja. Ganz einfach. Das Ziel von Terrorismus besteht darin, Furcht und Schrecken zu verbreiten. Furcht unterminiert das Vertrauen in die Gesellschaft. Sie schwächt den Gegner von innen he raus und verursacht Unruhe bei den Massen. Schreiben Sie sich das auf. Terrorismus ist kein Ausdruck von Wut. Terrorismus ist eine politische Waffe. Nimm einer Regierung die Fassade der Unfehlbarkeit, und du zerstörst ihr Vertrauen bei den Menschen.«
Vertrauen zerstören…
Ist es das, worum es hier geht? Langdon fragte sich, wie die Christen der ganzen Welt reagierten, würden die verstümmelten Leichen der Kardinale gefunden. Wenn schon der Glaube eines geweihten Priesters nicht vor dem satanischen Bösen schützte, welche Hoffnung gab es dann für den Rest der Christenheit? Die pochenden Schmerzen in seinem Kopf wurden schlimmer… er hörte leise, widerstreitende Stimmen:
Glaube schützt dich nicht. Medizin und Airbags… das sind die Dinge, die dein Leben schützen. Gott schützt dich nicht… Intelligenz schützt dich. Erleuchtung. Vertrau auf etwas, das sichtbare Ergebnisse vorzuweisen hat. Wie lange ist es her, dass jemand über Wasser gelaufen ist? Die modernen Wunder sind Wunder der Wissenschaft… Computer, Impfstoffe, Raumstationen… selbst das »göttliche« Wunder der Schöpfung, Materie aus Nichts… in einem Laboratorium. Wer braucht Gott? Nein, die Wissenschaft ist unser Gott!
Die Stimme des Mörders hallte in Langdons Verstand: Mitternacht… eine mathematische Progression des Todes… sacrfici vergini nell’ altare di scienza.
Dann plötzlich, wie eine Menge, die beim ersten Pistolenschuss verstummt, waren die Stimmen verschwunden. Robert Langdon sprang auf wie von einer Tarantel gestochen. Sein Stuhl kippte nach hinten um und fiel krachend auf den Marmorboden.
Vittoria und der Camerlengo zuckten zusammen.
»Ich habe es die ganze Zeit übersehen!«, flüsterte Langdon wie gebannt. »Und dabei hat es mir ins Gesicht gelacht…«
»Was übersehen?«, fragte Vittoria.
Langdon wandte sich an den Geistlichen. »Vater, seit drei Jahren habe ich dieses Büro immer wieder um Zugang zu den Vatikanischen Archiven gebeten. Ich habe sieben ablehnende Bescheide
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