Illuminatus 3 - Leviathan
wirklich ernst zu nehmen. Am siebten Morgen diskutierten sie Theismus versus Atheismus; am achten Morgen das Individuum versus den Staat; am neunten, ob das Tragen von Schuhen eine sexuelle Perversion darstelle oder nicht. Alle Streitgespräche begannen gleichermaßen inhaltslos zu werden. Am zehnten Morgen befehdeten sie sich um Realismus und Antinomismus; am elften, ob das Statement «Alle Statements sind relativ» in sich selbst widersprüchlich ist oder nicht; am zwölften, ob jemand, der sich für sein Vaterland opfert, verrückt ist oder nicht; am fünfzehnten, wer den größeren Einfluß auf den Nationalcharakter Italiens hatte, Spaghetti oder Dante ...
Das war jedoch nur der Anfang des Tages. Nach dem Frühstück (in ihrem Schlafzimmer, in dem jeder Gegenstand aus Gold bestand, aber nur wenig abgerundet war) begab sie sich in Hagbards Studierzimmer (wo alles exakt so aussah wie ein goldener Apfel) und sah sich Dokumentarfilme über die frühe Stufe des Matriarchats in der griechischen Kultur an. In unregelmäßigen Abständen wurde zehnmal der Name «Eris» gerufen; reagierte sie darauf, so schob sich aus einem Fach in der Wand ein Stückchen Schokolade. In zehn weiteren unregelmäßigen Abständen wurde ihr eigener Name gerufen; reagierte sie darauf, so erhielt sie einen sanften Elektrostoß. Nach Ablauf des zehnten Tages wurde das System geändert und intensiviert: Der Elektroschock war stärker, wenn sie auf ihren früheren Namen reagierte, wenn sie hingegen auf «Eris» reagierte, kam Hagbard hereingestürmt und bumste sie.
Während des Mittagessens (das jeden Tag mit einem goldenen Apfelstrudel endete) tanzten Calley und Eichmann für sie, und zwar kompliziertes Ballett, das Hagbard « Misch-Masch » nannte; sooft sie es auch sah, vermochte sie niemals zu sagen, wie die beiden es fertigbrachten, auf dem Höhepunkt die Kostüme zu wechseln, dann, wenn Misch zu Masch und Masch zu Misch wurde.
An den Nachmittagen pflegte Hagbard in ihre Suite zu kommen und sie in Yoga zu unterrichten, das Sich-Konzentrieren aufs Pra-nayama zu üben und einige Asanas zu trainieren. «Wichtig ist nicht, daß du so still stehen kannst, um eine Schale mit Schwefelsäure auf dem Kopf zu balancieren, ohne daß du verletzt wirst», betonte er.
«Wichtig ist, zu wissen, was jeder einzelne Muskel für eine Funktion hat, was er tut, wenn er etwas tun muß.»
Am Abend gingen sie dann in eine kleine Kapelle, die seit mehreren Jahrhunderten Teil der Villa war. Hagbard hatte jedes christliche Dekor entfernt und durch eine klassisch griechische Dekoration ersetzt. In der Mitte der Kapelle befand sich das traditionelle magische Pentagramm. Sie saß in der Lotosposition im inneren Pentagramm, während Hagbard wie verrückt um die fünf Spitzen der Zacken tanzte (stoned bis zum Gehtnichtmehr) und dabei Eris anrief.
Nach fünf Tagen sagte sie zu ihm: «Einiges von dem, das du tust, scheint wissenschaftlich, einiges scheint mir hingegen völlig närrisch.»
«Wo die Wissenschaft versagt», erwiderte er, «kann das Närrische funktionieren.»
« Aber letzte Nacht hast du mich fünf Stunden lang im Pentagramm sitzen lassen und Eris angerufen. Sie aber kam nicht.»
« Sie wird kommen », sagte Hagbard düster. « Noch bevor der Monat vorüber ist. In dieser Woche legen wir das Fundament, indem wir die rechte Folge von Worten, Bildern und Energie auslegen.»
Während der zweiten Woche kam sie mehr und mehr zu der Überzeugung, daß Hagbard nun endgültig von Sinnen sei, wie er da wie eine Ziege um die fünf Zacken hüpfte und im flackernden Kerzenlicht «IQ EPIS IQ EPIZ EPIZ!» schrie und dabei wie toll im von Weihrauch und Haschischwolken geschwängerten Raum einhersprang. Doch am Ende dieser Woche war ihre Reaktion auf ihren früheren Namen gleich 0 und ihre Reaktion auf «Eris» gleich 100 Prozent. «Das Konditionieren wirkt besser als die Magie », sagte sie am fünfzehnten Tag.
« Glaubst du wirklich, es gäbe da einen Unterschied ?» fragte er neugierig.
In dieser Nacht spürte sie, wie sich die Luft in der Kapelle während der Beschwörung auf seltsame Art und Weise veränderte.
«Irgendwas geschieht», entfuhr es ihr - aber er erwiderte nur: «Ruhig» und fuhr mit seinem Tanz fort, und seine Beschwörung der Eris wurde lauter und wilder. Das Phänomen - das Prickeln - blieb, sonst ereignete sich jedoch gar nichts.
«Was war das ?» fragte sie später.
« Manche nennen es Orgon-Energie, und manche nennen es den Heiligen
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