Illusion - das Zeichen der Nacht
Lächeln ab. Vielleicht bildete sie es sich aber auch nur ein, schließlich spielte sich ein großer Teil dessen, was vor sich ging, einzig und allein in ihrem Kopf ab.
Und doch konnte sie seine Nähe spüren, jetzt sogar noch mehr als vorhin. Es war absurd, aber sie war felsenfest davon überzeugt, dass Erik ihr zuhörte, auch wenn das eigentlich nicht sein konnte.
Sie hätten eine gemeinsame Zukunft haben können, doch die hatte sie für ihre Liebe zu Alex geopfert. Sie war enttäuscht und verletzt und wünschte sich sehnlichst, Erik möge das erfahren. Er sollte wissen, dass er für sie schon immer der attraktivste Junge war, den sie je gekannt hatte; und dass sie sich genau deswegen von ihm ferngehalten hatte – aus Angst, von ihren Gefühlen überwältigt zu werden und demjenigen ins Netz zu gehen, den sie als ihren Hauptfeind betrachtete.
Bei Alex war sie hingegen nicht so vorsichtig gewesen. Wie dumm von ihr.
Aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern.
»Erik«, sagte sie noch einmal und freute sich am Klang dieses verbotenen Namens. »Erik, kannst du mich hören?«
Nichts regte sich im Marmorgesicht des früheren Drakul-Anführers. Seine Lider waren nach wie vor geschlossen, seine Miene teilnahmslos. Jana seufzte niedergeschlagen. Einen Moment lang hatte sie geglaubt, dass Erik … dass er … zurückkehren würde …
Aus einem Impuls heraus streckte sie den rechten Arm aus und tippte mit der Fingerspitze an die Krone aus weißem Feuer. Vielleicht erwartete sie, diese leichte Berührung werde die Flammen löschen und Erik so aus seiner ewigen Ruhe reißen. Aber stattdessen sprang das Feuer auf ihre Haut über und löste ein sanftes Kribbeln aus, zart wie eine Liebkosung. Staunend betrachtete Jana ihre in Licht gebadete Hand und schloss die Augen. Das Kribbeln wanderte ihren Arm hinauf, es ergriff ihre Schulter, dann ihren Hals und schließlich schlich es sich wie ein Dieb in ihren Mund hinein, wo es dieselben wahnsinnigen Empfindungen in ihr auslöste wie ein langer, leidenschaftlicher Kuss.
Es war, als stünde plötzlich die Zeit still. Jana wünschte sich nur noch, dieses himmlische Gefühl möge ewig anhalten.
Irgendwann öffneten sich ihre Augen und erst da merkte sie, dass sie über Erik gebeugt war und ihre Lippen auf seine gedrückt hatte.
Sie schnappte nach Luft. Gerade eben hatte sie seinen Atem gespürt, warm und ganz nah. Sie wich ein paar Zentimeter zurück und sah ihn an. Seine hellen Wimpern zuckten, als würde er gleich die Augen aufschlagen.
In diesem Moment brach die Vision so unvermittelt ab, wie sie eingesetzt hatte. Jana befand sich wieder in Armands altem venezianischem Palazzo, die Hand am eingeschalteten Flachbildfernseher, dessen elektrostatische Aufladung an ihren Fingerspitzen kribbelte.
Aufgewühlt sah sie sich um. Wenige Meter von ihr entfernt beobachtete Yadia sie mit einem zynischen, abschätzigen Grinsen. Aus seinen Augen sprach Misstrauen. »Na, war’s interessant?«, fragte er.
Im Kontrast zu dem zärtlichen Moment, den Jana gerade erlebt hatte, kam ihr die Stimme des Kopfgeldjägers wie ein Krächzen vor. »Was hast du denn gesehen?«, fragte sie zurück und bemühte sich, sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
Yadia deutete auf das bunte Geflimmer auf dem Bildschirm. »Was ich gesehen habe? Einen mittelmäßigen Magier, der so getan hat, als würde er von den Toten auferstehen. Sonst nichts. Na ja und ein wunderschönes Mädchen, das gelächelt hat, als wäre sie plötzlich im Paradies.«
Jana nickte, ohne auf das Kompliment einzugehen. »Ich war an einem ganz besonderen Ort, das stimmt. Ich habe eine sehr mächtige Vision gehabt. Das verstehe ich noch gar nicht richtig. Lass den Film bitte noch mal laufen. Ich will mir diese Spiegelung ganz genau ansehen. Es kann nicht sein, dass sie so viel Macht hat.«
Mit einem genervten Seufzer erfüllte Yadia Janas Bitte. Nun sahen beide sich Armands Show zum dritten Mal von vorne an. Beim Anblick des übertriebenen Grinsens des Magiers und seiner blonden, mit Haargel fixierten Locken drehte Jana angewidert den Kopf weg. Aber als sie die Flammen auf dem Smoking des Magiers knistern hörte, sah sie wieder hin. »Stopp, halt an! Da ist es!«
Hinter dem Standbild von Armand in seinem brennenden, billigen Smoking deutete Jana auf den weißen Fleck in dem antiken venezianischen Spiegel, der ihr schon vorhin aufgefallen war. Er befand sich noch an derselben Stelle, auf den ersten Blick fast nicht zu sehen, weil er
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