Illusion - das Zeichen der Nacht
Fernseher gekniet und deutete auf einen glänzenden Fleck in dem Spiegel, der an der Rückwand der Bühne hing. »Siehst du das?«
»Eine Spiegelung. Von der Fensterscheibe, vom Kanal … Was soll damit sein?«
Jana strich sanft über den kleinen Lichtfleck. »Das ist keine gewöhnliche Spiegelung.« Sie war ganz aufgeregt. »Ich habe Schatten gesehen, Schatten, die sich bewegen. Da ist irgendwas, ganz sicher, und zwar etwas ganz Entscheidendes.«
Yadia starrte sie überrascht an. »Das ist doch nur ein winziger Fleck! Du siehst Gespenster, ganz im Ernst. Aber wenn du willst, können wir das Bild auf meinem Laptop vergrößern, damit du beruhigt bist. Wer weiß, vielleicht hast du ja recht und wir entdecken den Typen, der hinter der Kamera stand. Den Regisseur des Films. Das war bestimmt Argo.«
Während Yadia sprach, beobachtete er, wie Jana ihre Finger über die Stelle auf dem Bildschirm tanzen ließ. Es war, als spiele sie ein Miniaturinstrument, als betätige sie unsichtbare Tasten.
»Lass das Video weiterlaufen«, sagte sie und schloss die Augen. »Ich glaube, ich hab’s schon.«
Yadia drückte wieder auf die Pausetaste und die Handlung auf dem Fernsehmonitor setzte sich fort: Armands unhörbarer Schrei, weiße Flammen, die anderen Bälle, die auf den dunklen Anzug fielen und einen Ärmel und das rechte Hosenbein in Brand steckten. Aber Jana schien das alles nicht zu interessieren.
Vielmehr machte es den Eindruck, als sähe sie nicht einmal, was sich da abspielte. Ihr Gesicht war so starr, dass es fast wie eine Maske wirkte, und ihre Augen waren auf einen Punkt irgendwo hinter dem Fernseher gerichtet.
So, reglos und majestätisch wie eine Statue, wirkte sie wie ein Wesen aus einer anderen Welt, wie eine rätselhafte Prinzessin der Antike.
Yadia wich einige Schritte zurück, wandte sich von Jana ab und blickte durch das Fenster ganz bewusst auf die Häuser auf der anderen Seite des Kanals. Janas Trance würde nicht sehr lange dauern. Er konnte sich eine Pause gönnen, bevor sie wieder in ihren normalen Bewusstseinszustand zurückkehrte.
Aber wirklich nur eine kleine Pause – bei einer Agmar-Prinzessin konnte man schließlich nie wissen, da musste man auf alles gefasst sein.
Kapitel 7
F euchtkalte Luft schlug Jana ins Gesicht und zwang sie, die Augen aufzumachen. Sie befand sich in der heiligen Höhle, dem Ort, wo Erik sich vor ein paar Monaten geopfert hatte, um Alex und ihr das Leben zu retten. Sie sah noch genauso aus wie damals, eine graue Felshöhle, und auf dem Boden standen überall Dinge herum, die im Zwielicht nicht zu erkennen waren.
Jana stockte der Atem. Einen knappen halben Meter vor ihr ruhte Erik auf einem flachen Stein aus weißem Marmor, der Junge, der sie so sehr geliebt hatte.
Erik. Es war das erste Mal seit seinem Tod, dass er ihr in einer Vision erschien. Sein Gesicht war so blass wie der Marmor, auf dem er lag. Sogar seine Kleidung schien völlig ausgebleicht zu sein, jedenfalls war keinerlei Farbe mehr zu erkennen. Und doch erinnerte nichts an diesen klaren, edlen Zügen an die Starre einer Leiche. Es wirkte eher, als schlafe der letzte Anführer der Drakul nur, die Hände am Griff von Aranox, dem magischen Schwert seines Klans.
Janas ganzer Körper überzog sich mit Gänsehaut. Ihre dünne schwarze Strickjacke schützte sie kaum vor der eisigen Kälte in der Höhle. Sie blickte zu ihren Schuhen hinunter, schwarzen, eleganten, aber abgenutzten Mokassins. Die müssten einmal gründlich geputzt werden, schoss ihr absurderweise durch den Kopf.
Da merkte sie mit einem Schauder, dass auch die Schuhe zu ihrer Vision gehörten, denn an diesem Morgen hatte sie zum ersten Mal ihre neuen Wildlederstiefeletten angezogen.
Ganz allmählich wanderte ihr Blick zum Gesicht ihres früheren Feindes zurück. Als Erik noch am Leben gewesen war, hatte sie es immer vermieden, ihn länger anzusehen – er sollte ihr Interesse an ihm nicht bemerken. Doch jetzt, wo er tot war, erlaubte sie sich, sein längliches bleiches Gesicht genau zu betrachten, seine perfekte Nase, den Schwung seiner hellen Brauen, sein langes blondes Haar. Darauf trug er die Krone aus weißem Licht, die ihn das Leben gekostet hatte, die Essenz der Macht. Jemand mit weniger Mut oder unlauteren Absichten wäre bei der bloßen Berührung damit zu einem Häufchen Asche verbrannt. Aber Erik war einer der größten unter den Medu gewesen und die Krone hatte ihn verschont.
Wenn sie das früher erkannt hätte, wenn ihr Hass auf die
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