Illusion - das Zeichen der Nacht
mir was einzureden«, murmelte sie und drehte das Gesicht zur Wand. »Du hast ja keine Ahnung.«
Alex antwortete ihr vom anderen Ende des Raums, ohne sich die Mühe zu machen, lauter zu sprechen. »Ich hatte mir unser Wiedersehen ganz anders vorgestellt.«
»Es hätte auch anders werden können. Das Ganze ist deine Schuld. Wenn du willst, kannst du zu deiner Freundin Nieve runtergehen und ihr sagen, dass ich mit Argos Flucht nichts zu tun habe. Dir glaubt sie bestimmt.«
»Tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass das was bringt.« Alex kehrte widerstrebend zum Bett zurück und setzte sich auf die Kante. »Nieve denkt sicher, du wüsstest, wo er hingegangen ist. Stimmt das?«
Jana drehte sich zu ihm um und sah ihm herausfordernd in die Augen. »Selbst wenn ich es wüsste, würde ich ihr nichts sagen.«
Alex seufzte und stand auf. »Wenn du sie siehst, wirst du es dir anders überlegen. Nieve kann sehr überzeugend sein. Sogar ohne ihre frühere Magie ist es unglaublich, was sie bewirken kann.«
—
In der Eingangshalle des Palasts hatte sich dichtes Halbdunkel breitgemacht, als hätte ein Meer von Schatten das warme Morgenlicht verschluckt. Nieve und Corvino warteten schon. Sie standen auf dem Fliesenboden, beide in schwarzer Hose und T-Shirt. Als Jana mit Alex auf dem Treppenabsatz auftauchte, blitzten die Augen der früheren Wächterin gefährlich auf. Nieve war blass vor Wut. So hatte Jana sie noch nie gesehen.
»Ich habe nichts damit zu tun«, sagte sie, noch bevor sie auf der letzten Stufe angelangt war. Unwillkürlich drückte sie Alex’ Hand, wie um sich festzuhalten. »Ich bin die ganze Nacht in meinem Zimmer gewesen. Das müsst ihr mir glauben.«
»Wir wissen, dass du nicht hinausgegangen bist.« Corvinos Miene war ebenfalls angespannt. »Aber das heißt nicht, dass du ihm nicht vielleicht trotzdem geholfen hast.«
»Er hat mich darum gebeten«, gab Jana zu, ohne sich einschüchtern zu lassen. »Und vielleicht hätte ich mich sogar darauf eingelassen. Aber ich bin gar nicht dazu gekommen.«
Nieve ging mit einem seltsamen Flackern in den Augen auf sie zu. »Das ist also der Dank für unsere Gastfreundschaft?«, fauchte sie. »Heru hat uns vor dir gewarnt, er sagte, du würdest uns verraten. Und wir haben nicht auf ihn gehört! Wenn er nicht fortgegangen wäre, könnte er uns jetzt eine große Hilfe sein.«
»Jammern bringt uns nicht weiter, Nieve«, mahnte Corvino. »Daran ist jetzt nichts mehr zu ändern. Jana, du musst uns sagen, was du weißt«, fügte er streng hinzu und sah dem Mädchen fest in die Augen. »Das bist du uns schuldig.«
»Ich bin euch gar nichts schuldig«, widersprach Jana erbost. »Ich bin hergekommen, um euch einen Gefallen zu tun, schon vergessen? Wenn ich nicht mit Argo gesprochen hätte, hätten die Varulf ihn nicht an euch verkauft!«
»Ach komm, Nieve, Jana will doch nur helfen«, mischte sich Alex in versöhnlichem Ton ein. »Ihr seid nicht fair zu ihr, ihr gebt ihr ja nicht mal die Chance, die Sache zu erklären.«
»Dann soll sie das jetzt tun«, sagte Nieve herausfordernd. »Wir warten.«
»Das halte ich für keine gute Idee.« Alex klang zunehmend selbstsicherer, als sei die Situation für ihn sonnenklar. »Die Zeit arbeitet gegen uns. Wir müssen an einem Strang ziehen, um Argo zu finden – bevor es zu spät ist.«
Nieve starrte ihn ungläubig an. »Du meinst, sie soll bei der Suche mitmachen? Kommt nicht infrage. Sie bleibt hier.«
»So richtig klug ist das aber nicht, Nieve.« Alex ging mit einem Lächeln auf die frühere Wächterin zu. »Jana kann entscheidend dazu beitragen, Argo aufzuspüren. Sie kann Dinge tun, die keiner von uns fertigbringt. Sie wird mit mir kommen. Ich bürge für sie.«
Jana traute ihren Ohren nicht. Was bildete Alex sich eigentlich ein? Als hätte sie großes Interesse daran, den Wächtern zu helfen, ihren früheren Gefährten zu finden! Sie hatte sie alle dermaßen satt …
»Na gut«, sagte Nieve mit einem Seitenblick auf Jana. »Aber unter einer Bedingung: dass du sie keine Sekunde allein lässt.«
»Versprochen.« Alex ging zu Jana und griff sie am Arm. »Komm, Jana.«
»Wir treffen uns um eins hier, wenn es geht«, rief Corvino ihnen nach, als sie bereits im feuchten Wind auf der Straße standen. »Sagt Bescheid, wenn ihr ihn findet. Und seid vorsichtig. Etwas sagt mir, dass er nicht allein ist und sich nicht so einfach fangen lässt.«
Kapitel 12
E rst als sie bereits mehrere Kanäle überquert hatten, blieb Alex
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