Illusion - das Zeichen der Nacht
»Du weißt schon, der aus dem Video. Da würde ich gern hingehen.«
»Machst du Witze?« Alex’ Miene hatte sich verdüstert. »Kommt nicht infrage. Yadia ist ein Intrigant und hat uns schon genug Stress gemacht. Ich weiß nicht, was er diesmal vorhat, aber ich wette, es ist nichts Gutes.«
Jana blickte Alex forschend in die kalten blauen Augen. »Was ist los, Alex? Hast du Angst?«
Ihre Stimme klang spöttischer, als sie beabsichtigt hatte, aber gesagt war gesagt. Sie wusste genau, dass Alex kein ängstlicher Typ war. Das hatte sie nur gefragt, um ihn zu provozieren. Und nach dem Blitzen in seinen Augen zu urteilen, war ihr das auch gelungen.
»Du kennst keine Grenzen, stimmt’s, Jana?« Er ballte die Faust, bis seine Knöchel ganz weiß waren. »Dir ist jedes Mittel recht, um zu erreichen, was du willst.«
»Tut mir leid«, sagte sie. Alex herauszufordern, war keine gute Idee gewesen. »Ich will diese Vorstellung sehen, das ist alles.«
»Na schön. Dann sehen wir sie uns eben an«, entschied Alex und ging zum Fenster. Von dort drehte er sich wieder nach ihr um und sah sie mit einem herausfordernden Lächeln an. »Aber wenn es heute Abend Ärger gibt, Jana, denk an diesen Moment. Denk daran, dass ich die Finger davon lassen wollte, als es noch möglich gewesen wäre, und du mich einen Feigling genannt hast. Denk daran, wenn die Probleme losgehen. Dann wirst du dir wünschen, du hättest auf mich gehört, glaub mir.«
Kapitel 14
D ie Frau mit der Taschenlampe streckte die Hand nach den Eintrittskarten aus, die Alex ihr hinhielt, und warf zuerst einen Blick auf die Sitzplatznummern, bevor sie sich in Bewegung setzte. Sie war eine üppige Blondine in einem schwarzen Kleid, das sich wie ein Handschuh an ihre beeindruckenden Kurven schmiegte. Als Platzanweiserin kam sie Jana ein wenig verdächtig vor und ihre lauten Absätze waren nicht gerade dafür geeignet, um unbemerkt durch die stillen Flure des Theaters zu gehen.
Alex dachte offenbar dasselbe, denn er musterte die junge Dame mit großem Interesse. War es deswegen oder weil er sich nicht vom Anblick ihrer sich wiegenden Hüften losreißen konnte? Jana war nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte.
Erstaunlicherweise war das Parkett bereits voll besetzt, obwohl die Vorstellung erst in fünf Minuten anfangen sollte. Gedämpftes gelbes Licht ergoss sich über die gedrängten Reihen von Zuschauern, von denen sich viele im Flüsterton unterhielten, in allen möglichen Sprachen. Es gab mindestens drei verschiedene Gruppen Touristen, jede in Begleitung eines Guide. Der Guide einer offenbar Schweizer Gruppe war eine Frau, die von ihrem Platz aus hin und wieder einen riesigen bunten Schirm in die Höhe hielt, um ihre Schäfchen mit ihrer Gegenwart zu besänftigen. Der japanische Guide betete hektisch eine endlose Litanei von Erklärungen herunter, als müsse er seine Schützlinge erst instruieren, bevor sich der Vorhang hob. Was die Französin anging, so verhielt sie sich diskreter, allerdings lief sie ständig hin und her und beugte sich zu den verschiedenen Sesseln hinunter, um mit den ihr Anvertrauten ein paar Worte zu wechseln.
Als der Zeitpunkt für den Beginn der Vorstellung gekommen war, wurde das Licht gedimmt und erlosch schließlich ganz. Kaum war es dunkel, seufzte Jana erleichtert. Sie hörte Alex’ angespannten, flachen Atem neben sich, wagte es jedoch nicht, nach seiner Hand zu greifen oder ihm eine ironische Bemerkung zuzuflüstern. Er hatte sich den ganzen Tag distanziert verhalten – warum eigentlich? Schließlich hatte sie ihn nicht gezwungen, sie ins Theater zu begleiten. Wenn er hier war, dann doch freiwillig.
Die schweren Samtvorhänge vor der Bühne wurden von einem Scheinwerfer angestrahlt, der einen Kreis aus goldenem Licht darauf warf. Gleich darauf teilten die Vorhänge sich lautlos und gaben eine pechschwarz ausgekleidete und nur mit zwei weißen Stühlen ausgestattete Bühne frei. Eine Tonbandstimme, untermalt mit Trommeln und Becken, kündigte den unvergleichlichen Armand Montvalier an. Das Publikum applaudierte ohne besonderen Enthusiasmus, während der Magier von links die Bühne betrat. Er trug einen blauen Smoking, ein weißes Hemd und eine ebenfalls blaue Fliege. Es war der Magier aus der Aufnahme, die Jana gesehen hatte.
Armand machte übertriebene Verbeugungen nach rechts und links, um den Zuschauern für die verhaltene Begrüßung zu danken. Hinter ihm war ein Assistent aufgetaucht, ein stämmiger Typ mit Glatze,
Weitere Kostenlose Bücher