Illusion - das Zeichen der Nacht
und sie sollten dich ganz klar zu dem Buch führen. Das hast du doch auch gedacht, oder? Deswegen hast du dich auf die Suche gemacht.«
Die Straße mündete in einen kleinen ovalen Platz mit einer eigenartigen Kirche aus rosarotem Gestein in der Mitte. Alex blieb auf dem Pflaster stehen und blickte zu dem leicht nach rechts geneigten Turm hinauf, aber Jana hatte den Eindruck, dass seine Gedanken sehr weit von diesem Turm entfernt waren.
»Ich weiß nicht, ob das Buch nach uns ruft oder nicht. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich seinen Ruf hören will«, sagte er leise.
»Aber warum bist du dann seiner Spur gefolgt? Warum bist du nach Vicenza gefahren, um dir Armands Leiche anzusehen?«
Alex zuckte die Achseln. »Die Sache ist nicht so, wie du denkst, Jana. Es stimmt schon, ich habe das Buch gesucht, aber nicht, um es zu irgendwas zu benutzen, sondern, um es zu vernichten.«
Jana lachte. »Das kann nicht dein Ernst sein! Wir sind einem unglaublich mächtigen magischen Gegenstand auf der Spur, einem Buch, das alles verändern könnte, und du willst es vernichten. Und auch noch ohne mir einen Ton zu sagen. Wann wolltest du mich denn einweihen?«
»Wenn es so weit ist.« Alex ging langsam weiter, zum hinteren Teil der Kirche. »Ich dachte allerdings, das würde noch ein bisschen dauern, das stimmt schon.«
»Wenn ich keine Visionen von dem Buch gehabt hätte, wenn ich dir nicht von Armand erzählt hätte, hättest du also den Mund nicht aufgemacht«, folgerte Jana gekränkt. »Das wäre dir am liebsten gewesen, gib’s zu.«
Alex sah ihr über die linke Schulter hinweg in die Augen. Seine Schritte waren energisch, aber zugleich auch nervös, abgehackt. »Okay, das gebe ich zu.« Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Tut mir leid, Jana, aber manchmal habe ich das Gefühl, du weigerst dich, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Du hältst weiterhin an der Vergangenheit fest, an den Pflichten und Traditionen deines Klans und denkst immer noch, alles, was die Macht der Agmar in der Zukunft festigen kann, wäre gut. Aber da irrst du dich.«
Am Ende einer Seitenstraße tauchte das beleuchtete Schild des Hotels Cimarosa auf. Sie überquerten eine Steinbrücke und gingen darauf zu.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte Jana aufgebracht. »Warum willst du das Buch denn unbedingt vernichten? Warum findest du es so gefährlich?«
»Weil es ungeheure Macht hat, eine Macht, die sich katastrophal auswirken könnte, wenn sie in falsche Hände gerät.«
»Das stimmt.« Die Erinnerung an Yadias spöttischen Blick versetzte Jana einen Stich. »Wegen diesem verfluchten Kopfgeldjäger wissen die Varulf jetzt genauso viel wie wir. Wenn du mir eher vertraut hättest … Na ja, jetzt ist es sowieso zu spät.«
Sie näherten sich dem Hotel, auf dessen Treppe sich eine Gruppe älterer Touristen angeregt unterhielt. Instinktiv suchte Jana Alex’ Hand. Auf einmal fühlte sie sich seltsam fehl am Platz mitten in dieser Stadt voller Menschen aus aller Welt, die keine Ahnung von den Medu hatten und denen es nur darum ging, sich gegenseitig vor den Hauptsehenswürdigkeiten zu knipsen und sich ein paar schöne Tage zu machen.
Alex schien intuitiv zu erfassen, wie sie sich fühlte, denn er drückte sanft ihre Hand, wie um sie daran zu erinnern, dass er bei ihr war. Beide gingen wortlos an den Senioren vorbei, durchquerten die elegante Eingangshalle, die mit dicken Lilien- und Gladiolensträußen geschmückt war, und betraten den Aufzug.
»Du hast mir noch gar nicht gesagt, wie du auf Armand gekommen bist.« Jana drückte den Knopf mit der Drei. »Das stand bestimmt nicht in den Büchern in der Bibliothek.«
»Doch, genau da«, erwiderte Alex. »Als ich mir den Band, in dem es um die Legende vom Buch der Schöpfung ging, zum zweiten Mal vorgenommen habe, lag genau an der Stelle ein Zeitungsausschnitt zwischen den Seiten. Er stammte aus einer italienischen Zeitung und in dem Artikel ging es darum, dass ein gewisser Armand unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war.«
Inzwischen hatte sich die Fahrstuhltür geöffnet und beide gingen auf dem purpurroten Teppich auf ihre Suite zu.
Alex steckte die elektronische Schlüsselkarte mit dem Hotellogo in den dafür vorgesehenen Schlitz und das Schloss sprang mit einem kurzen Klick auf. Drinnen steckte er die Karte in einen weiteren Schlitz, der an der Wand angebracht war. Daraufhin flammten die Lampen der Suite alle gleichzeitig auf und tauchten den Eingangsbereich und den
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