Illusion - das Zeichen der Nacht
Traums verbarg.
Doch irgendetwas ging schief. Noch ehe sie erkennen konnte, wo sie war, merkte sie, dass Alex’ Hände nicht mehr in ihren lagen. Irgendwann hatte sie ihn verloren.
Sie spürte sanftes Licht auf ihrem Gesicht und hob den Blick. Sie befand sich wieder in der heiligen Höhle.
Sie bemerkte, wie sich in ihrer Kehle ein Kloß bildete und noch etwas anderes, einen undefinierbaren Druck auf der Brust, der sie zu ersticken drohte. Die Höhle hatte sich verändert. Undurchdringliche Dunkelheit hatte alle Umrisse geschluckt und das Einzige, was sich von diesem Schattenmeer abhob wie ein Schiff aus Licht, war Eriks Grab, erhellt von der Flammenkrone auf seinem Kopf.
Mühelos trugen Janas Füße sie zu dem steinernen Grab, mitten durch das Schattenmeer hindurch, immer auf Eriks heiteres, edles Gesicht zu, das ihr als Orientierung diente wie ein Leuchtturm. Ein seltsamer Schwindel erfasste sie, als sie mit den Fingerknöcheln die kalte Marmorplatte streifte, auf der sein Körper ruhte. Sein Gesicht war so gelöst, als würde er nur schlafen, und es war so schön, so unerträglich schön … Beinahe hätte sie die Hand ausgestreckt, um diese breite, glatte Stirn zu berühren oder ihm über das blonde Haar zu streichen, das seit ihrer letzten Vision gewachsen zu sein schien.
Aber das Seltsamste an diesem Gesicht, das, was sie mit der hypnotisierenden Macht eines Zaubers zu dem Grab zog, waren die Augen des früheren Drakul-Anführers. Jana bekam eine Gänsehaut, als sie bemerkte, dass sie offen standen, auch wenn die hellen Iris so starr waren wie bei einer Statue. Erik konnte sie nicht sehen und trotzdem hatte sie das eigenartige Gefühl, dass er ihre Anwesenheit wahrnahm, dass etwas in ihm nach ihr rief und dass dieser Ruf traurig war, als komme er aus einem Herzen, in dem jedes Fünkchen Hoffnung erloschen war.
Sie wusste nicht genau, wie ihr geschah, bis sie spürte, wie Eriks Schwert sanft gegen ihre Rippen drückte. Das weiße Feuer der Essenz der Macht hatte sie erfasst und zu Erik hinabgezogen, sie mit ihm verschmelzen lassen. Um sie herum schienen die Schatten hin und her zu wanken, als wäre eine Windbö hereingedrungen, die sie in Aufruhr brachte. Aber die Schatten kümmerten Jana nicht. Sie wollte nur die warme Umarmung des Lichts spüren, das Erik schützend umgab und Teil von ihm zu sein schien. Sie zog sich nicht zurück, als sie auf ihren Lippen die zarte Berührung anderer Lippen spürte. Auch wenn sie sich so kalt anfühlten wie Marmor, wusste sie doch sofort, dass sie lebendig waren, denn sie antworteten auf die Berührung ihrer Haut mit einem leidenschaftlichen Kuss; einem Kuss, der auf einmal tyrannisch wurde, bedrohlich, als wolle er sie in Ketten legen und für immer in seinem Licht gefangen halten.
Der Boden gab unter ihren Füßen nach und sie schrie, während ihr Körper fiel und fiel. Sie dachte, das sei das Ende, die Dunkelheit ziehe sie in einen einsamen Abgrund, in dem sie nie wieder die warme Geborgenheit dieses Lichts spüren würde, das von Erik ausging, das zu ihm gehörte.
Die Finsternis hatte gesiegt.
Hatte sie wirklich gesiegt?
Als Jana die Augen aufschlug, blickte sie direkt in Alex’ entsetztes Gesicht.
—
Ohne genau zu wissen, warum, begann sie, sich zu rechtfertigen. Sie fühlte sich schuldig wegen dem, was sie gerade in der Vision erlebt hatte, auch wenn sie wusste, dass es nicht zur Realität gehörte, sondern zu einer anderen Dimension mit anderen Gesetzen.
»Du bist vor mir zurückgekommen.« Sie zwang sich, dem finsteren, aufgebrachten Blick ihres Freundes nicht auszuweichen. »Tut mir leid, dass wir uns verloren haben. Da muss irgendwas schiefgegangen sein.«
»Im Ernst?« Alex’ Stimme war kalt, schneidend wie eine Stahlklinge. »Bist du sicher? Ich glaube nämlich, es ist gar nichts schiefgegangen.«
»Na ja, wir wollten doch beide das Gleiche sehen.«
»Und woher weißt du, dass das nicht so war?«
Ein entsetzlicher Verdacht stieg in Jana auf. »Das … das kann nicht sein«, stammelte sie. »Du warst nicht da. Das hätte ich doch gemerkt.«
Sie verstummte abrupt, als sie begriff, dass sie sich verraten hatte. Selbst wenn Alex gar nicht gesehen hatte, wie sie Erik küsste, musste ihre Verwirrung äußerst verdächtig erscheinen.
Alex sah sie forschend an. Sein Blick war zynisch und sein verkrampftes Lächeln wirkte fast bedrohlich.
»Sag’s mir«, flehte sie, weil sie die Ungewissheit nicht länger ertragen konnte. »Was hast du
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