Iloo - Die andere Welt (German Edition)
Welten dasselbe zu bedeuten.
»Abgemacht«, meinte sie. »Aber ich werde nach außen hin meine Rolle nicht ablegen können, oder was glaubst du, werden sie sagen, wenn ich mich plötzlich dir gegenüber nicht mehr unterwürfig verhalte? Selbst, wenn du nicht entlarvt wirst, so könnte man dich für verrückt halten, wenn du eine Dienerin gleichberechtigt behandelst.«
»Das mag sein«, stimmte Rainer nachdenklich zu. »Trotzdem sollte es sich auf die Gelegenheiten beschränken, in denen andere Feliden anwesend sind. Sobald wir allein sind, gilt das nicht mehr. Die Dienerrolle wird ab jetzt nur noch für andere gespielt - die Betonung liegt auf ›gespielt‹.«
Innilu nickte und lächelte insgeheim. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass jemals eine solche Änderung in ihrem Leben eintreten könnte. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde und vielleicht würde der Fremde ja auch schneller verschwunden sein, als ihr lieb war, doch sie war gewillt, diese Situation zu genießen, solange sie dauerte.
Rainer beschloss, sich seiner neuen Rolle zu widmen. Vielleicht hatte die Zukunft ja doch einen Sinn. Was auch immer ihn hierher gebracht hatte, er empfand plötzlich so etwas wie Dankbarkeit für die neue Chance und die neue Aufgabe, die sich ihm hier stellte. Wenn Innilu ihm half, hatte er eine Chance. Doch warum sollte sie das tun? Er verkörperte einen Mann, dem sie bisher seit Jahren dienen musste - bedingungslos. Eigentlich sollte sie in seinem derzeitigen Unvermögen, Situationen in dieser für ihn fremden Umgebung einzuschätzen und zu meistern, eine Möglichkeit sehen, sich von ihm zu befreien. Konnte er ihr wirklich trauen?
Die Tür öffnete sich und der Arzt, den er bereits gesehen hatte, betrat den Raum.
»Wie es aussieht, haben Sie sich besser erholt, als ich es vermutet hatte«, sagte er. »Die Kokon-Technik ist wirklich ein Meilenstein in der Medizin. Dürfte ich Sie noch kurz untersuchen. Danach biete ich Ihnen und Ihrer Dienerin eine Stärkung in der Kantine der Heiler-Gilde an. Wir erhielten bereits eine Wortnachricht aus der Zentrale der Wissenschaftler-Gilde. Man ist dort offenbar daran interessiert, dass wir Sie bald entlassen.«
»Tun Sie Ihre Arbeit ... wie ist doch gleich Ihr Name?«
»Mein Name ist Cherlok.«
»Gut, dann tun Sie Ihre Arbeit Heiler Cherlok. Ich nehme Ihr Angebot einer Stärkung gerne an und würde es begrüßen, wenn ich heute bereits zu meiner Gilde zurückkehren könnte.«
»Selbstverständlich Inolak, ich werde die Behandlung Ihrer Gilde in Rechnung stellen. Wünschen Sie ein Luftschiff, dass Sie nach Hause bringt?«
Rainer machte ein fragendes Gesicht und Innilu wagte es, einzuspringen: »Verzeiht, wenn ich vorlaut bin, Heiler Cherlok, aber mein Herr hat einen Teil seines Gedächtnisses verloren und bat mich, seine Defizite auszugleichen.«
An Rainer gewandt, fuhr sie fort: »Herr, die Luftschiffe sind die Statussymbole der Gilden. Nur gildelose Feliden müssen sich über den Boden bewegen. Nehmt das Angebot ruhig an.«
Rainer nickte wohlwollend. »Wie meine Dienerin bereits sagte - ich habe noch Probleme mit der Erinnerung, aber das bekomme ich bald in den Griff. Ja, gern nehme ich Ihr Luftschiff in Anspruch. Setzen Sie es ruhig mit auf die Rechnung.«
»Bitte beleidigen Sie nicht die Gilde der Heiler, Inolak. Betrachten Sie es als einen Service des Hauses und seien Sie uns bei schwierigen Fragen im Rat gewogen.«
Rainer war erst verblüfft, doch als er den lauernden Blick Cherloks bemerkte, musste er lächeln.
So lief das also: kleine Gefälligkeiten an hochstehende Mitglieder der Gilden erhielten die Freundschaft und sicherten kleine Gefälligkeiten im Gegenzug. Auf der Erde nannte man es Bestechung, und das Prinzip war ihm nicht fremd. Er lächelte, bedankte sich noch einmal für die Bemühungen der Heiler-Gilde und ließ sich dann von einer Dienerin Cherloks zur Kantine führen. Die Dienerin nahm genau dieselbe demütige Haltung ein, die er zuvor bei Innilu gesehen hatte, die sich nun krampfhaft um eine ähnliche Haltung bemühte, um nicht aufzufallen. Ihre Führerin war schon etwas älter und hatte nicht mehr den seidigen Schimmer im Fell, den Innilu hatte. Überhaupt sah sie bei Weitem nicht so gut aus, wie Innilu.
»Schwachkopf!«, schalt sich Rainer. Als wenn er wirklich beurteilen konnte, ob eine Felidin gut aussah, oder nicht. Trotzdem suchte sein Blick immer wieder Innilu. Ihm wurde bewusst, dass er begann, dieses Katzenwesen als Person zu
Weitere Kostenlose Bücher