Iloo - Die andere Welt (German Edition)
beiden Händler merkten, dass dieser kleine Scherz bei ihnen nicht gut angekommen war. Sinnu sah verwirrt von einem zum anderen. »Hat Keetok mit seinem Scherz etwa ins Schwarze getroffen?«
»Lassen Sie uns ablegen«, sagte Rainer. »Wir können reden, wenn wir unterwegs sind.«
Sinnu zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder an ihre Kontrollen. Sie ließ eine Sirene ertönen, die dem Bodenpersonal anzeigte, dass das Luftschiff starten wollte. Sie lösten die Taue und zogen die Brücke ein. Damit war das Luftschiff frei und konnte seine Reise beginnen. Sinnu startete die Motoren und steuerte die Komet vom Turm der Wissenschaftler-Gilde weg.
»Diese Reise wird länger dauern, als die Letzte«, erklärte Sinnu. »Die Elektriker-Gilde erfordert eine Reisezeit von fast zehn Stunden in südwestlicher Richtung. Wir können unser Ziel von hier aus noch nicht einmal sehen.«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Rainer. »Aber können Sie mir eine Frage beantworten: Wenn wir in südwestlicher Richtung fliegen ... kommen wir da nicht bei den Technikern vorbei?«
»Nicht direkt. Es wäre ein Umweg von einer Viertelstunde. Warum fragen Sie?«
»Ich würde Sie bitten, dort einen kurzen Stopp einzurichten. Ich habe dort etwas zu erledigen. Es muss allerdings unter uns bleiben.«
Sinnu lächelte. »Geheimnisse? Ich denke, ich kann sie für mich behalten. Trotzdem würde ich jetzt gern mehr erfahren. Sie hatten vorhin etwas angedeutet.«
Rainer und Innilu setzten sich auf die Sitze, die eigentlich für den Kopiloten und den Funker bestimmt, jedoch meist nicht benötigt wurden.
»Es ist so«, begann Rainer. »Sie haben vollkommen recht: Wir haben die Gilde der Wissenschaftler verlassen. Zumindest können wir niemals dorthin zurückkehren, wenn wir erst einmal das getan haben, was wir beabsichtigen.«
»Sie planen doch nicht etwa ein Verbrechen?«
Innilu winkte ab. »Nein, das ist es nicht.«
Rainer fuhr fort: »Nehmen Sie an, ich hätte etwas Neues erfunden, und es wäre ohne Einsatz von Gildemitteln entstanden – somit läge der Besitz dieser Erfindung bei mir und nicht bei der Gilde. Nehmen wir weiter an, die Techniker hätten einen Prototyp meiner Erfindung gebaut. Nun ist zur Steuerung dieser Sache ein Wissen notwendig, das sich in keiner der bestehenden Gilden widerspiegelt.«
»Nun, das ist an sich noch nichts Besonderes«, sagte Sinnu. »Es kommt immer mal zu Verschiebungen in den Zuständigkeiten der bestehenden Gilden. Der Zentrale Rat wird den Sitz des neuen Wissens festlegen.«
»Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit.« Rainer war nun in seinem Element. »Ich bin für einen Sitz im Zentralen Rat vorgeschlagen. Sobald ich als Mitglied des Rates aufgenommen bin, habe ich ein volles Stimmrecht im Rat und darüber hinaus grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Gildelizenz.«
»Sie wollen eine neue Gilde gründen?«, fragte Keetok entgeistert. »Das hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.«
»Es kostet ja auch fast zwei Millionen Kredite und man muss einen völlig neuen Berufszweig beschreiben können«, gab Sinnu zu bedenken. »Dadurch sind Gildeneugründungen sowieso unmöglich gemacht worden.
»Eben nicht!«, sagte Rainer. »Ich habe meine Rechte an der Erfindung selbst an die Techniker-Gilde verkauft. Man schätzte den Wert der Erfindung zumindest so hoch ein, dass man mir drei Millionen Kredite auf einem Depot der Bänker-Gilde eingerichtet hat. Was ich jetzt nur noch brauche, ist die Begleitung durch einen bestimmten Techniker, der bestätigen kann, was ich dem Rat vortragen werde. Damit habe ich berechtigte Hoffnungen auf eine Gildelizenz. Deshalb werde ich nie mehr zu den Wissenschaftlern zurückkehren können.«
»Inolak, Sie sind ganz schön mutig«, sagte Keetok. »Wenn das alles fehlschlägt, sind Sie und Innilu Freiwild – das muss Ihnen klar sein.«
Rainer seufzte leicht. »Sie glauben gar nicht, wie sehr uns das klar ist. Aber ich habe keine andere Wahl, wenn ich meine Pläne verwirklichen will«.
»Welche Pläne sind das denn?«, wollte Sinnu wissen. »Ich dachte, wir hätten jetzt bereits alles gehört.«
»Als Gildeältester kann ich die gesellschaftlichen Regeln innerhalb der Gilde selbst bestimmen. Ich werde zur Personalanwerbung die Gilde für alle öffnen, die ein Interesse an der Informatik – dem neuen Berufszweig – haben. Alle Gildemitglieder – ob Männer oder Frauen – werden gleichberechtigt sein. Wenn jemand einen Diener oder eine Dienerin
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