Iloo - Die andere Welt (German Edition)
verfügten bereits über ein Verteilungssystem für elektrischen Strom, befanden sich aber andererseits noch im tiefsten Mittelalter. Rainer streckte seine rechte Hand aus und ließ spielerisch seine Krallen ein- und ausfahren. Wie fremd diese Hand doch war und wie vertraut ihm dieser Körper bereits geworden war. Er sah auf und betrachtete Innilu, die sich einen kleinen Hocker vor eines der Fenster geschoben hatte, um besser hinaussehen zu können. Als er in diesem Körper erwacht war, hatte er Innilu zunächst als fremdartig und sogar ein wenig hässlich empfunden. Er stellte fest, dass sich seine Einstellung total geändert hatte. Er musste lächeln. Es war ihm mittlerweile unverständlich, wie er dieses grazile, elegante Wesen jemals als hässlich empfinden konnte. Er war sich inzwischen absolut sicher, dass er diese Frau liebte. So intensiv hatte er es bei seiner menschlichen Frau Ellen nie empfunden. Erst hier bei den Feliden hatte er gelernt, wirklich glücklich zu sein. Insgeheim dankte er seinem Schicksal.
»Dort hinten ist das Meer!«, rief Keetok, der mit einem Fernglas den Horizont absuchte. Sie versuchten durch den Dunst des frühen Morgens etwas zu erkennen, doch das bloße Auge ließ es nicht zu, die Wasserlinie des Ozeans zu entdecken.
»Dann ist es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel?«, fragte Rainer.
»Vielleicht zwei bis drei Stunden Flug«, schätzte Sinnu.
»Doch noch so lange?«, meinte Rainer enttäuscht. Innilu trat neben ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter.
»Dann werden wir gleich unsere neue Heimat kennenlernen?«, fragte sie.
»Unsere neue Heimat – klingt das nicht toll?«, fragte Rainer und knabberte sanft an ihren Ohrspitzen, bis sie schnurrte. Sinnu, die von den Kontrollen aus zugesehen hatte, schüttelte leicht den Kopf.
»Soviel offen zur Schau gestellter Vertrautheit sind wir bisher nicht gewohnt, Inolak«, sagte sie. »Ich bin gespannt, wie sich Ihre Gilde, und das Zusammenleben innerhalb der Gilde entwickeln wird.«
11. Das Haus der Schreiber
Nach einiger Zeit konnte man – zunächst mit dem Fernglas – schließlich auch mit dem bloßen Auge, die Gebäude erkennen, die früher einmal die Gilde der Schreiber beherbergt hatte. Sie erreichten den Komplex, und Sinnu umkreiste die verlassenen Gebäude. Von oben machten sie noch einen recht soliden Eindruck. Auch Atok äußerte sich zufrieden über den ersten Blick auf die Gildehäuser. Der Turm des Gildehauses war nach einem Beben eingestürzt, jedoch recht günstig nach außen gekippt, wodurch die übrigen Gebäude intakt geblieben waren.
»Jetzt beginnt der schwierige Teil unserer Mission«, sagte Sinnu. »Ich muss eine Ankersonde abschießen und uns an die Kette legen. Leider hab ich nur fünf Patronen für den Anker. Wenn keiner der Schüsse einen soliden Halt gibt, haben wir ein Problem.«
»Und wenn wir einfach Gas ablassen?«
»Das kann ich gern machen, wenn wir für alle Zeiten hier festliegen wollen. Wie sollen wir das Schiff wieder auf Reisehöhe bekommen, wenn ich kein Gas mehr im Tank habe?«
Rainer winkte ab, er hatte seine Frage nicht genau durchdacht. Sinnu gab Keetok einige Anweisungen. Unweit der letzten Gildegebäude gab es einen Bereich, der, von oben gesehen, den Eindruck machte, als wenn dort ein gut platzierter Bodenanker einen guten Halt finden müsste. Keetok kletterte nach draußen und verschwand unter der Passagierkabine der Komet. Nach einiger Zeit ging ein leichter Ruck durch das Luftschiff. Keetok hatte den ersten Anker abgefeuert. Kurz darauf ertönte ein deutliches Klopfzeichen.
»Der erste Anker sitzt«, kommentierte Sinnu das Geräusch. »Nun muss noch der zweite Anker Halt finden.«
»Wieso brauchen wir denn einen zweiten Anker?«, wollte Innilu wissen.
»Oh, ich könnte durchaus versuchen, uns mit nur einem Anker auf den Boden zu bringen«, meinte Sinnu. »Aber das wäre für uns nicht lustig. Die Komet würde eine steile Lage bekommen und sich schütteln wie ein Blatt im Wind. Bis wir unten wären, hättet ihr euch bestimmt alle schon euer schönes Fell vollgekotzt. Bei zwei Ankern können wir versuchen, das Luftschiff in gerader Fluglage nach unten zu ziehen.«
Ein weiterer Ruck ging durch die "Komet", doch das Klopfzeichen blieb aus. Sie sahen sich fragend an.
»Das bedeutet, dass Keetok den Anker nicht setzen konnte«, kommentierte Sinnu. Kurz darauf war wieder ein Ruck zu spüren und wenig später vernahmen sie auch das Klopfzeichen.
»Er hat es
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