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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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Truhe.
    Unterdessen hatte Johannes den Raum durch die Vordertür verlassen. Er kam mit einem großen, schwarz eingebundenen Buch zurück, setzte sich an die Stirnseite des Tisches mit Blick auf den Eingang, zog seinen Hut tiefer in die Stirn und begann zu lesen.
    Clement schritt auf seiner Seite des Raumes auf und ab. Ich lehnte mich an die Wand und versuchte, an nichts zu denken. Die Zeit floss dahin und je länger ich warten musste, desto größer wurde die Unruhe, die mich erfüllte. Das Blut rauschte mir in den Ohren, mein Mund wurde brottrocken und ich spürte meinen heftig pochenden Herzschlag bis in die Kehle.
    Mehrmals blickte ich hinüber zu Clement. In seinen Augen war ein unbezähmbarer Hunger getreten, eine grenzenlose Gier beherrschte ihn. Die Gier zu töten.
    Johannes saß ohne jede Regung auf seinem Platz, er wirkte kalt wie ein Eisblock. Ich konnte die goldene Schrift auf der Rückseite seines Buches erkennen. Altes Testament stand dort geschrieben. Gerade als ich mir dachte, wie passend , blätterte Johannes eine Seite um, und auf der Straße ertönte das Getrampel zahlreicher Hufe.
    Kurz darauf wurden Kommandos gebrüllt, gefolgt von harten Absätzen, die auf der Veranda knallten. Die Tür flog auf. Männer, wie ich sie bereits kannte, drängten hinein. Sie hatten sich gelbe Brillen aufgesetzt und trugen diese langen ledernen Staubmäntel. Alle waren schwer bewaffnet.
    Nur einer stach heraus.
    In der Mitte der Rattenmenschen schritt ein Mann, der weder groß, noch besonders stark war, aber sich hielt, als sei er beides. Er steckte in einer Art Phantasieuniform: weiße Handschuhe, goldene Epauletten an den Schultern, ein Offizierscape aus dicker nachtblauer Wolle. Auf seiner gesamten Brust funkelte ein Sammelsurium von Orden, und an seiner Hüfte trug er die obligatorische, überdimensionale Automatikpistole zur Schau.
    Er trat ein paar Schritte in den Raum, blieb stehen, zog die Handschuhe aus und steckte sie hinter den Gürtel. Mit den Händen griff er nach seiner Brille und schob sie nach oben. Die anderen Rattenmänner folgten seinem Beispiel.
    Die roten Pupillen des Obersts stierten zuerst auf mich, dann auf Clement und blieben schließlich auf Johannes hängen. Ich konnte deutlich erkennen, wie sich an seiner rechten Brustseite etwas unter dem Stoff der Uniformjacke bewegte. Ich wusste, was er dort beherbergte.
    „Gundula!“, schrie er unvermittelt.
    Niemand antwortete ihm.
    „Gundula, du faules Stück! Mach, dass du herkommst!“
    Clement bewegte sich einige Schritte und ich folgte seinem Beispiel.
    „Stehenbleiben! Sofort!“
    Ich verharrte mitten in der Bewegung, drehte mich nur leicht zu dem Oberst um, der den Befehl gebrüllt hatte und jetzt mit in die Hüfte gestemmten Händen um sich blickte. „Was ist denn hier überhaupt los! Sind in diesem verfluchten Nest auf einmal alle verrückt geworden?“
    „Pst“, sagte Johannes und hob warnend einen Zeigefinger. Sein Gesicht blieb hinter dem großen Buch verborgen.
    „Ah! Wenigstens einer, der redet!“ Der Oberst trat vor den Tisch, flankiert von zweien seiner Männer. Sie richteten die Läufe ihrer Waffen auf Johannes, die anderen, ich zählte insgesamt acht, behielten Clement und mich im Auge.
    „Einen Moment“, sagte Johannes. „Ich bin mit dem Kapitel gleich fertig.“
    Er blätterte geräuschvoll eine Seite weiter, blieb in seiner unbeweglichen Haltung und klappte dann gemächlich das Buch zu, um es mit der Linken vor sich zu legen. Seine Rechte befand sich jetzt unter der Tischplatte.
    „Habe ich Euch gestört, Hochwürden?“, fragte der Oberst mit spöttisch-süßem Tonfall.
    Kein Muskel regte sich in Johannes Gesicht. „In der Tat, das hast du. Besonders dein Gestank ist unerträglich.“
    „Gestank.“ Das überhebliche Grinsen des Obersts erstarb. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?“, tobte er los.
    Johannes spitzte ein wenig die Lippen, bevor er gelassen und geradezu freundlich antwortete: „Das müsste selbst ein Idiot wie du erkennen. Ich bin der neue Pfarrer dieser Gemeinde.“
    „Ein Pfarrer?“
    „Exakt. Und es gibt neue Regeln. Ihr bekommt ab sofort keinen Proviant mehr. Und ihr werdet auch keine Menschen von hier verschleppen. Damit ist jetzt Schluss.“
    „Werden wir nicht?“ Die Wangen des Obersts bekamen hektisch-rote Flecken.
    Clement bewegte sich wieder etwas und ich tat es ihm gleich.
    Der Oberst reagierte prompt. „Ich habe doch gesagt, ihr sollt stehen bleiben! Dort wo ich euch

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