Im Abgrund der Ewigkeit
auf.
Rot überall. Rot durchflutet meine Erinnerungen.
Rot wie Blut…
Die Bilder reißen ab…
Ich sehe mich um, bin von weißer Watte gefangen. Kalte Wolken hüllen mich ein, rauben mir die Sicht. Mein Herz droht zu zerspringen. Ich versuche wegzulaufen, kann mich nicht bewegen. Der Nebel wird immer dichter, schließt mich ein, in dem Versuch, mich zu verschlucken. Das ist die letzte Station meines Lebens. Hier werde ich aufhören, zu existieren.
Ich taumle vorwärts, der Untergrund ist steinig und rutschig. Vor mir schwarze Umrisse. Noch ein, zwei unbeholfene Schritte und ich erkenne ein schmiedeeisernes Tor. Verschlossen und drohend ragt es aus der weißen Wand heraus.
Ein Piepsen ertönt in meinen Ohren, zischt schmerzhaft durch meinen Kopf. Immer und immer wieder kehrt dieser Laut zurück, zerstört die Bilder, zerstört meine Gedanken.
„Lilith!“, höre ich eine Stimme. Ich bemerke eine Hand auf meiner Schulter, werde fortgerissen, in einem Strudel nicht enden wollender Dunkelheit.
„Lilith!“, die Stimme ist drängend.
Meine Augen können wieder sehen. Johannes ist dicht bei mir. Seine Hand liegt auf meiner Schulter…
Johannes sah mich besorgt an. „Du hast geschrien. Was ist passiert?“
Bevor ich antworten konnte, ertönte draußen das Geräusch schnell galoppierender Hufe. Stiefelabsätze knallten auf der Veranda. Die Tür wurde aufgerissen und Arne stürmte in den Raum.
„Sie kommen!“, rief er mit wilden Augen.
Cecilia erstarrte. Clement lehnte sich auf seinem Sitz zurück und suchte sich eine bequemere Position. „Von wem sprichst du, Junge?“
„Der Oberst ist unterwegs!“
Über Clements Gesicht huschte der Anflug eines Lächelns. „Du meinst, der Chef dieser Rattenbande ist auf dem Weg hierher?“
Arne nickte. Seine Aufregung war zu groß, um noch etwas sagen zu können.
„Wie viele Leute hat er dabei?“
„Zwölf“, brachte Arne heraus. „Ich habe zwölf gezählt.“
„Na so was“, sagte Clement zu mir. „Hast du das gehört, Lilith? Ich bezweifle, dass in diesem Nest dreizehn Särge vorrätig sind.“
3
C lement nahm seinen Kaffeebecher und trank ihn in aller Seelenruhe aus. Bedächtig stellte er ihn auf den Tisch. Dann erst blickte er zu Arne auf. „Junge“, sagte er, „wann werden die Rattenmenschen da sein?“
Eine kurze Zornesröte huschte über Arnes Gesicht. „Nenn mich nicht Junge, alter Mann! Wir haben noch zehn Minuten Zeit, vielleicht eine Viertelstunde.“
Clement nickte einmal, erhob sich geschmeidig und schlüpfte aus seinem hellen Jackett. Darunter kam das lederne Schulterholster zum Vorschein. Er begann, den Pistolengurt abzuschnallen.
„Lilith“, sagte er dabei zu mir, „bring die Kinder nach draußen. Und sorge dafür, dass sie und auch Gundula wegbleiben.“
Diesmal wurde Arne blass vor unterdrückter Wut. „Cecilia und ich sind alt genug. Wir haben schon zahlreiche Kämpfe hinter uns gebracht. Ihr braucht nicht auf uns Rücksicht zu nehmen.“
„Rücksicht?“ Clement schüttelte unwirsch den Kopf. „Mir ist es vollkommen egal, ob ihr lebt, oder sterbt. Aber ich will nicht, dass ihr im Weg herumsteht, wenn ich anfange zu schießen.“
„Was?“, brauste Cecilia auf, „du hast kein Vertrauen zu uns?“
„Mein Bruder hat recht“, mischte sich Johannes ein. „Wenn wir in der Gaststube nicht mit ihnen fertig werden, müsst ihr die Anwohner schützen. Es hat keinen Sinn, alle unnötig in Gefahr zu bringen.“
Ich ging zu Cecilia und lächelte sie an. „Komm Cecilia, sei vernünftig“, bat ich sie. „Es wäre eine große Erleichterung für mich, wenn du und Arne auf Gundula und die anderen aufpassen würdet. Hier vorne kommen wir ganz gut alleine zurecht. Und wenn nicht, seid ihr unser Ass im Ärmel.“
Cecilia schluckte, dann senkte sie die Lider als Zeichen ihrer Akzeptanz, ergriff Arnes Hand und verließ mit ihm gemeinsam den Raum.
Clement hatte das Holster inzwischen abgenommen, zog seine Automatik und ging mit ihr schnurstracks zur linken Wand, vor der ein hoher Schrank stand. Er legte seine Waffe auf die obere Kante des Möbelstücks, trat einen Schritt zurück, um zu überprüfen, ob die Pistole auch mit einigen Metern Abstand verborgen blieb, bevor er sein Holster in einer großen Truhe verschwinden ließ.
Ich tat es ihm gleich, zog die Lederjacke aus, platzierte meinen Revolver auf einem weiteren Schrank an der gegenüberliegenden Wand und stopfte den Revolvergurt ebenfalls in die
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