Im Abgrund der Ewigkeit
eine derartige Wärme aus, dass ich nicht anders konnte, als ihr Lächeln zu erwidern.
„Das waren die besten Rühreier meines Lebens“, unterbrach Johannes unsere stumme Kommunikation. „Nun, genaugenommen sind es auch die ersten, an die ich mich erinnern kann.“
Wir lachten gemeinsam.
„Wie lange bist du eigentlich schon hier?“, fragte ich Cecilia.
„Ich bin vor etwas über einer Stunde aufgestanden“, erwiderte sie.
„Das meine ich nicht. Ich wollte wissen, wie lange du zusammen mit deiner Mutter in dieser Ortschaft…“
Cecilia unterbrach mich. „Du meinst, wie lange wir in Snowhill leben?“
„Genau.“
„Nun, exakt auf den Tag vermag ich das nicht zu sagen. Aber es müssen schon weit über zweihundert Sommer sein.“
„Zweihundert?“ Johannes pfiff anerkennend durch die Zähne. „Und du bist keinen Tag gealtert?“
„Das geht in Snowhill jedem so. Egal wie viele Geburtstage man hier auch feiert, man verändert sich nicht.“
„Und niemand stirbt?“, fragte ich staunend.
„Doch, das kommt durchaus einmal vor. Wir haben sogar einen eigenen Friedhof. Aber wir können nur einen gewaltsamen Tod sterben. Und der hat dann meist mit den Rattenmenschen zu tun.“
„Gefällt dir dein Leben, so wie es ist?“, fragte ich weiter, um gleich darauf anzufügen: „Aber du musst nur antworten, wenn du das möchtest.“
„Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Ich kenne nichts anderes. Ich habe hier meine Mutter und meine Freunde. Ich denke schon, dass ich glücklich bin. Wenn die Rattenmenschen nicht wären…“
„Das kann ich gut nachvollziehen.“ Johannes richtete seinen Blick von Cecilia auf mich. „Eigentlich wäre es doch schön, in Snowhill zu bleiben. Vergessen von allen, die man einmal kannte und für die man einmal wichtig war, ohne Heimweh und Sehnsucht nach etwas, das man in einem anderen Leben zurückgelassen hat.“
Dem konnte ich nur zustimmen. „Diese Vorstellung hat eindeutig ihren eigenen Charme – vor allem, wenn ich für immer mit dir zusammen sein könnte. Die jährliche Gefahr durch die Rattenmenschen würde ich dafür gerne in Kauf nehmen.“
Clement ergriff mit klangloser Stimme das Wort. „Dieses Problem mit den Rattenmenschen werden wir ja wohl in den nächsten Tagen grundsätzlich angehen. Dann werden wir diese Bedrohung ein für allemal aus der Welt schaffen.“ Clement hielt Cecilia die Tasse hin und ließ sich noch einmal nachschenken. „Aber bist du sicher, Lilith, dass du alles hinter dir lassen willst? Bist du sicher, dass du aus diesem Vorhof der Hölle nicht entkommen willst?“
Ich sah ihn überrascht und prüfend an. „Was für eine Frage! Kann man das denn überhaupt? Gibt es einen Ausgang ?“
Cecilia mischte sich ein. „Manche, die hierherkommen, ziehen weiter. Es gibt in einiger Entfernung einen Pass und wenn man ihn überschreitet, dann…“
Die Tür zur Küche wurde scheppernd ins Schloss geworfen. Gundula stand in der Gaststube, sie sah mitgenommen und übernächtigt aus. In Ihren Händen trug sie einen geflochtenen Weidenkorb voll mit Feuerholz. Bevor wir uns erheben konnten, um ihr zu helfen, hatte sie ihn schon geräuschvoll neben dem Kamin zu Boden fallen lassen.
„Wenn man über den Pass geht, dann soll auf der anderen Seite alles besser sein. …“ Gundula türmte einige der Scheite über die rotglühenden Holzreste auf. Sie erhob sich, um sich uns zuzuwenden. „…Wie das in Märchen so ist: Ein wahrhaftiges Paradies wartet auf uns. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ihr kennt das.“
Clement drehte seinen Kopf zu Gundula und fixierte sie kalt. „Was macht dir solche Angst an dieser Vorstellung? Vielleicht ist das keine Lüge. Und womöglich findet Lilith einen Weg, wie wir alle hier herauskommen.“
Gundula wischte sich die Hände an der Schürze ab. Ihre Augen blitzten „Natürlich, so wird es sein. Wir suchen seit Jahrhunderten nach einem Ausweg aus diesem Jammertal und unsere Lilith kommt in Begleitung eines Priesters und mit dir – wer auch immer du sein magst - hierher und ihr gelingt in wenigen Tagen, woran wir anderen kläglich gescheitert sind. …Welch eine Arroganz, derartigen Unsinn zu glauben! Johannes und Lilith können uns helfen, mit den Rattenmenschen fertig zu werden. Nicht mehr und nicht weniger. Glaubt bloß nicht, dass es euch gelingen kann, uns dazu zu verhelfen, Snowhill zu verlassen. Das führt zu nichts, außer zu einer weiteren schmerzhaften
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