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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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zögernd auf. Sein Gesicht war noch gerötet, aber seine Augen strahlten voller Wärme und Zuversicht, so wie ich sie kannte, so wie ich sie anlässlich unserer letzten zwei Treffen erlebt hatte.
    „Hallo Lilith“, sagte er. Dann fiel sein Blick auf Clement, der neben mir stand und er erstarrte.
    „Onkel Franz“, sagte Clement und aus seiner Stimme sprach freudige Überraschung. „Das habe ich wirklich nicht zu hoffen gewagt!“
    Der Alte blickte entgeistert auf Clement. „Du kannst mich sehen? Und du erinnerst dich an mich?“
    Clement nickte. „Selbstverständlich sehe ich dich und ich erinnere mich auch an dich. Ich erinnere mich an vieles. Und vieles davon bereue ich mittlerweile von ganzem Herzen.“
    Auf dem Gesicht des Alten wechselte sich Ungläubigkeit mit tiefer Erleichterung ab. „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue, diese Worte von dir zu hören, Clement.“
    „Du weißt doch, wo wir hier sind?“, fragte Clement.
    „Du meinst, Snowhill?“
    Clement schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, ich meine all das hier. Diese neue Welt , in der ich mich mit Lilith und Johannes befinde.“
    „Kennst du denn ihre genaue Bedeutung?“
    „Als Neffe eines Abtes gehört das zu meiner Allgemeinbildung. Und ich weiß auch, dass du mich retten kannst.“
    „Dafür ist es zu spät. Dir kann ich leider beim besten Willen nicht helfen“, entgegnete der Alte.
    „Du irrst dich. Du kannst sehr wohl.“
    „Ich wiederhole nochmals: das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Du hast zu viele und zu schreckliche Sünden begangen.“
    Clement lächelte bitter. „Aber ich kann doch meine Sünden loswerden. Und dann“, er machte eine ausholende Bewegung mit seiner Hand, „dann lasse ich das alles hinter mir.“
    Der Alte befeuchtete sich kurz die Lippen und strich sich nervös über den Ärmel. „Du kannst deine Sünden nicht einfach loswerden .“
    „Normalerweise nicht. Aber wenn ein Priester hierherkommt, oder soll ich sagen: wenn sich ein Heiliger hierher verirrt und ich beichte bei ihm, verändert das die Situation grundlegend.“
    Bei Clements letzten Worten hatte den Alten eine deutlich sichtbare Unruhe erfasst. Auf seiner Stirn bildeten sich trotz der Kälte Schweißtropfen. Seine Augen zuckten nervös. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich habe. Ich muss Lilith eine Nachricht überbringen. Das ist von elementarer Bedeutung. Es geht um Leben und Tod.“
    „Und du hast nicht ein paar Minuten übrig, um dich um das Seelenheil deines Neffen zu kümmern? Willst du es auf dein Gewissen nehmen, wenn ich für ewig in die Hölle verbannt werde?“
    Der Alte ließ seine Hände an beiden Seiten des Körpers herabhängen und senkte seinen Kopf. Er atmete laut hörbar.
    „Franz“, sagte ich und der Name war mehr eine Frage.
    Der Alte hob seinen Kopf und lächelte mich an. „Was ist, Lilith?“
    „Wenn es für dich wichtig ist, dann nimm Clement zuerst die Beichte ab. Ich habe Tage und Wochen auf deine Rückkehr und auf eine Nachricht gewartet. Tausende Male habe ich in jeder Nacht den Namen von Asmodeo geflüstert. Ein paar Minuten mehr werde ich auch noch aushalten.“
    Franz straffte seine Schultern. „Bist du dir sicher?“
    „Ja, das bin ich“, sagte ich leise.
    Franz winkte Clement zu und deutete auf die offene Tür der Kapelle. „Komm mit mir. Dort sind wir ungestört.“
    Clement gehorchte und verschwand vor dem Abt in der kleinen Kirche. Franz folgte ihm und schloss die Tür.
    Stille herrschte wieder. Der Wind jaulte jetzt stärker, er trieb einzelne Schneekristalle mit sich fort, prickelnd wie Stecknadeln prasselten sie auf mein Gesicht.
    Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, zog meinen Schal etwas weiter nach vorne.
    Ein Schrei drang aus der Kapelle.
    Ich stürzte los, riss die Tür auf und stürmte in das kleine Gotteshaus...
     
    Gestampfter Lehm, kahle Wände, hoch oben ein einsames Kreuz. Eine umgestoßene Petroleumlampe, am Boden ein glimmendes Feuer. Ein mannsgroßer rotgoldener Strudel, Franz halb darin versunken, nur sein Kopf und seine Arme schauen noch heraus. Er schreit. Es sind keine Worte, es sind unartikulierte Silben, die er von sich gibt. Und Clement, Clement hält sein blutiges Messer in der Rechten, während er mit der Linken versucht, Franz festzuhalten. Er bekommt dessen Hand zu fassen, beginnt zu ziehen.
    Ich haste weiter, rutsche aus, falle hart aufs Knie…
     
    Clement schaffte es nicht, Franz herauszuzerren. Die Finger des alten Mannes entglitten ihm.

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