Im Abgrund der Ewigkeit
Die Dauer eines Lidschlags später war Franz in dem rötlichen Strudel verschwunden, das goldene Licht erlosch, nur die graue Wand aus Feldsteinen blieb.
Clement drehte sich zu mir um. Auf seinem Gesicht stand fassungsloses Entsetzen geschrieben. „Er konnte mir nicht mehr die Absolution erteilen. Jetzt bin ich für immer verloren!“
Ich deutete auf die glimmende Asche am Boden.
„Franz hat seine Jacke ausgezogen und seine Stola umgelegt, um mir die Beichte abzunehmen.“ Clement wirkte erschüttert. „In diesem Moment ist er von hinten ergriffen und von mir weggezerrt worden. Ich habe versucht, ihm zu helfen. Dabei haben wir die Petroleumlampe umgestoßen und das auslaufende Öl hat seine Jacke in Brand gesteckt. Ich habe in den farbigen Strudel hineingestochen und auch etwas oder jemanden erwischt, aber es war trotzdem vergeblich.“
„Konnte er dir noch etwas mitteilen, eine Botschaft an mich? Etwas, das du mir sagen sollst?“
„Nein, kein einziges Wort.“ Clement drehte sich abrupt um und verließ die Kapelle.
Mein Knie schmerzte. Ich verlagerte meine Position, dabei stieß ich mit dem Fuß an einen harten Gegenstand. Ich bückte mich und ergriff ein Lederetui. Es war halb verbrannt. Ich hob es auf und schob es hinter meinen Gürtel.
Dann folgte ich Clement nach draußen.
7
M it einem dumpfen Knall schloss Clement die Tür. Dunkelheit herrschte in der kleinen Kapelle. Er langte in seine Tasche, nahm ein Streichholz heraus und riss es an. Die Flamme flackerte unruhig. Clement ergriff eine Petroleumlampe, die er bei seinem ersten Besuch vor ein paar Stunden entdeckt hatte, zog das Glas nach oben und entzündete den Docht. Er schob den Glaszylinder sorgsam nach unten und stellte die Lampe auf den Boden zurück. Schmutzig- gelbes Licht breitete sich mühsam in den Schatten aus.
Sein Onkel Franz beobachtete ihn aufmerksam. Die kärgliche Beleuchtung ließ dessen Gesicht kantig und entschlossen wirken. Jetzt zog er seine Jacke aus, suchte in einer der Seitentaschen und holte einen Schal heraus. Er legte ihn sich um den Hals - es handelte sich um eine goldbestickte Stola.
Kurz sah sich der Abt um, dann ließ er seine Jacke achtlos neben der Petroleumlampe auf den Boden fallen.
„Ich bin soweit, Clement“, sagte er.
Clement kam näher heran. „Du willst mir die Beichte abnehmen.“
Der Abt nickte.
„Damit wir alles richtig machen: Ich muss dir meine Sünden erzählen, an die ich mich erinnern kann, ich bereue sie von Herzen und du sprichst mich dann von ihnen los. Und als Belohnung verlasse ich dieses Fegefeuer hier und steige in den Himmel auf.“
Der Abt antwortete nicht, sondern nickte erneut.
„Wie mache ich das jetzt am besten?“, fragte Clement.
Der Abt befeuchtete die Lippen. Seine gütigen Augen zogen sich ein wenig zusammen, leichtes Misstrauen regte sich in ihnen. „Knie dich hin, denk über dein Leben nach und berichte mir, was dir in den Sinn kommt.“
Clement nahm seinen Hut herunter, ging vor dem Abt auf ein Knie, stützte sich auf dem anderen Knie ab und senkte den Kopf. Kein Laut war zu hören.
„Du kannst beginnen“, sagte der Abt.
„Meine schlimmste Sünde, an die ich mich erinnere…“, fing Clement an und brach ab.
„Habe Mut“, bestärkte ihn der Abt.
„Also gut. Meine schlimmste Sünde, die ich jemals begangen habe, ist, dass ich einen nahen Verwandten von mir belogen und getäuscht habe. Ich habe ihn in einen Hinterhalt geführt und dort habe ich ihn eiskalt ermordet.“
Der Abt ergriff seine Stola, presste sie wie einen Schutz gegen seinen Körper.
Clement hob langsam den Kopf. Seine hellgrünen Augen schimmerten in dem wenigen Licht wie die einer Raubkatze.
„Du sprichst von deinem Vater und deinem Bruder Johannes, die du mithilfe einer Explosion töten wolltest.“
Ein leichtes Grinsen machte sich auf Clements Gesicht breit. „Nein, von denen spreche ich nicht.“
„Von wem dann?“
„Ich spreche von dir.“ Bevor das letzte Wort verklungen war, hatte Clement sein Messer aus dem Stiefelschacht gerissen. Mit einer wuchtigen Aufwärtsbewegung rammte er es seinem Onkel in die Brust.
Der schrie unterdrückt auf und taumelte rückwärts.
Der rotgoldene Strudel erschien rings um den Abt und begann, ihn aufzusaugen. Clement lachte triumphierend, das blutige Messer in der Rechten haltend.
Mit einer blitzschnellen Bewegung packte der Abt Clements Linke, in dem Versuch, ihn mit sich in das Portal zu zerren.
Clement stolperte. Er
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