Im Abgrund der Ewigkeit
machte das schon.
Clement hielt einen Stab über das Feuer, an dem ein gutes Dutzend haariger Büschel hing, die kleinen Fellen ähnelten. Seine Beute musste getrocknet werden, bevor sie in die Reisetasche wandern durfte. Er schwenkte den Stab in sicherem Abstand zu den Flammen hin und her, damit keine seiner Trophäen zufällig verbrannte.
Mit einem Mal begannen die Flammen, heftig zu flackern. Zuerst schmiegten sie sich eng an den Boden, um ohne Vorwarnung meterhoch in die Luft zu schießen. Ihre Farbe veränderte sich vom hellen Gelb in ein sattes Orange.
Clement trat einen Schritt zurück. Gerade noch rechtzeitig rettete er den Holzstab aus der plötzlich auflodernden Feuersäule. Sorgfältig steckte er ihn neben sich in den Schnee und wartete.
Der eiskalte Wind zerrte hart an den haarigen Büscheln, hob sie an und pfiff über sie hinweg, bevor er urplötzlich verstummte. Eine unnatürliche Stille setzte ein und die Skalpe blieben wie eingefroren in der Luft hängen.
Besuch kündigte sich an.
Die Figur vor ihm besaß zunächst keine Konturen, bis das gleißende Licht zusammenfloss und sich zu einem schemenhaften Gebilde verdichtete. Schwarze Löcher, gähnende Untiefen inmitten eines grellen Balls blendender Energie ersetzten die Augen.
Clement blinzelte, wandte sich leicht ab und blickte, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen, hinunter in die weit entfernte Ebene. Graue Wolken waren aufgezogen, nicht nur unter ihm, sondern auch weit oberhalb des Friedhofs. In Kürze würde erneut Schnee fallen.
„Hallo Baal“, sagte Clement.
„Wie ich sehe, amüsierst du dich gerade.“
„Ich erledige meine Arbeit, und wenn dabei etwas Zeit für einen kleinen Spaß übrig bleibt - was spricht dagegen?“
Baal lachte. Seine Stimme dröhnte über den Friedhof. „Nichts spricht dagegen. Und die Reste deines Amüsements sind bereits bei uns gelandet und werden entsprechend verwertet. Vielen Dank. Das Vergnügen ist absolut beiderseitig.“
„Du kommst doch nicht hierher, um mir Komplimente wegen der paar läppischen Seelen zu machen.“
„Nein, wirklich nicht. Was ist mit Lilith?“
Clement schwenkte seinen Blick auf ein Holzkreuz. „Sie kann sich noch nicht selbständig erinnern. Aber ich habe ein Mittel gefunden, das zerrt ihre tiefsten Gedanken und Sehnsüchte ans Tageslicht. Die Mauer des Vergessens, die sie um sich errichtet hat, bekommt Risse. Sie kann sich nicht dagegen wehren.“
„Welche Hexerei nutzt du für diesen Zweck?“
Clement lächelte fast melancholisch. „Musik.“
„Musik“, wiederholte Baal mit gewissem Staunen. „Das ist erfreulich. Sehr erfreulich. …Übrigens habe ich deine These überprüft, dass Lilith Unterstützung von außen erhält.“
„Und?“
„Deine Vermutung hat sich bestätigt. Jemand fremdes war hier und wird wiederkommen.“
Clements Körper straffte sich unmerklich. Er warf einen kurzen Blick in die alles versengenden Flammen, um gleich darauf wieder wegzusehen. „Wann? Wann wird dieser Gast erneut erscheinen?“
„Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Zeit ist im ständigen Fluss. In der Zwischenwelt gibt es keine Kontinuität. Aber der Reisende wird bald kommen. Ich habe mich auf ihn konzentriert und spüre sein Herannahen immer deutlicher. Es wird nicht mehr lange dauern. Du solltest dich vorbereiten. …Und was das Wo betrifft: das kann ich exakt eingrenzen. Es wird hier auf dem Friedhof passieren.“
„Dieser Typ, der sich zu uns verirrt… - sind dir seine Pläne und Absichten bekannt?“
„Nein“, antwortete Baal einsilbig.
Über Clements Miene huschte ein Schatten der Ungeduld. „Nun, sehr viel kannst du mir aber nicht helfen. Ich dachte, deine Macht wäre weitaus größer. Aber du kannst ja nicht einmal körperlich im Fegefeuer erscheinen. Was für ein Jammer.“
Als Antwort schossen die Flammen sekundenlang meterhoch in den Himmel, bevor sie sich wieder beruhigten. „Sieh dich vor, wie du mit mir sprichst! In der Zwischenwelt kann nur ein einziger Dämon existieren. Und dieser Platz ist von der Königin der Ratten in Beschlag genommen. Dagegen ist nichts zu machen! Aber in meiner Welt, in der Hölle, ist meine Macht grenzenlos.“
„Na, bravo“, bemerkte Clement trocken. „Dieser Reisende, der zu Lilith kommt, wird ihr und Johannes helfen wollen. Und wer den beiden hilft, der schadet uns. Also werde ich diesen Unbekannten ausschalten. Kann ich das?“
„Der Reisende ist nicht wie die anderen. Er besteht nicht nur
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