Im Abgrund der Ewigkeit
stieß gegen die Petroleumlampe. Sie fiel um, das austretende Öl entzündete die Jacke, die am Boden lag.
Clement verspürte eine sengende Hitze, aber sie kam nicht von der Jacke, die Feuer gefangen hatte. Vielmehr schien der rotgoldene Strudel vor ihm plötzlich lebendig zu sein. Er pulste mit unglaublicher Hitze. Clements Augen brannten, seine Haut schmerzte unerträglich. Explosionsartig breitete sich eine schreckliche Pein in seinem Körper aus. Ihm wurde klar, dass der Abt versuchte, ihn mithilfe dieses mörderischen Sogs zu töten.
Die Tür der kleinen Kapelle krachte auf, Tageslicht fiel herein. Clement hörte hastige Schritte. Lilith kam.
Mit letzter Kraft riss er sich aus dem eisernen Griff seines Onkels. Das tödliche Rotgelb verschwand und mit ihm der Abt.
Nur einen kurzen Augenblick blieb Clement abgewandt von Lilith stehen, fassungslos darüber, dass sein Onkel tatsächlich versucht hatte, ihn auszulöschen. Dann gewann er die Kontrolle über seine Gefühle zurück.
„Er konnte mir nicht mehr die Absolution erteilen. Jetzt bin ich für immer verloren!“, sagte er und er wusste, dass er überzeugend klang.
Kapitel 9 – Asmodeo
1
W ieder ein halbdunkles Klinikzimmer. Ein anderes Bett, ein anderer Patient.
Asmodeo saß bewegungslos auf einem Stuhl und lauschte den leisen, fast unhörbaren Atemzügen. Wieder stand ein Mensch, den er liebte, an der Schwelle des Todes. Und wieder konnte er nichts dagegen tun. Er fühlte sich hilflos. Sein Geld, seine weltliche Macht, seine Beziehungen – alles nützte ihm nichts. Seine Freunde wurden einer nach dem anderen von einem schrecklichen Schicksal heimgesucht. Nichts, was er tat, vermochte, sie zu schützen.
Vielleicht waren sie alle dem Untergang geweiht.
„Bist du das, mein Freund?“
Asmodeo sprang auf, um zum Bett zu eilen. Im Schein des kleinen Nachtlichts sah er die offenen Augen des Abts. Vor Erleichterung und Freude vermochte Asmodeo nicht gleich zu antworten.
„Wie komme ich hierher?“ Die Stimme des Abts war schwach, fast nur ein raues Flüstern.
„Du bist schwerverletzt aus dem Bernstein gefallen, mit einer klaffenden Stichwunde in deiner Brust. Ich habe dich sofort zu Frau Dr. Naumann hinaufgetragen. Sie hat eine Not-OP an dir durchgeführt. Seitdem hat sie dich noch zweimal operiert.“
„Wie lange bin ich zurück?“
„Drei Tage.“
Der Abt senkte für einen Augenblick die Lider. „Drei Tage“, wiederholte er. „Hast du gesehen, was mir passiert ist?“
„Nein. Ich konnte beobachten, wie du mit Lilith und Clement auf dem Friedhof gesprochen hast und dann bist du mit Clement alleine in die Kapelle gegangen. Das Bild blieb bei Lilith – so lange, bis sie in die kleine Kirche gerannt ist.“ Asmodeo biss sich kurz auf die Lippen. „In diesem Moment kamst du schon aus dem Bernstein.“
„Clement“, sagte der Abt. Es war, als würde ihm der Name Schmerzen bereiten. „Er meinte, er wolle beichten, seine Sünden bereuen. Sobald wir alleine waren, rammte er mir sein Messer in die Brust.“
„Clement darf man nicht vertrauen.“
„Du hast leicht reden.“ Der Abt lächelte bitter. „Mein ganzes Leben ist auf die Überzeugung aufgebaut, dass sich jeder ändern kann, dass man bereuen kann, dass man das Gute erkennen und das Böse lassen kann. Wie sollte ich dieses Recht meinem eigenen Fleisch und Blut, meinem eigenen Neffen verweigern?“
„Er ist abgrundtief böse.“
„Ich weiß“, erwiderte der Abt. „Aber das behaupteten viele auch von dir. Und sieh dich jetzt an.“
„Ja, sieh mich an! Ein nutzloser feiger Idiot bin ich. Ich schicke dich in die höchste Gefahr, während ich wie ein Spanner vor einem Gemälde sitze und dich die ganze Arbeit tun lasse, die eigentlich ich tun müsste.“
„Sei nicht so streng mit dir.“ Der Abt hustete leicht. Asmodeo goss ein Glas Wasser ein und reichte es ihm. Franz trank ein paar Schlucke. „Schmeckt herrlich.“ Wieder hustete er. „Ich habe versucht, Clement auszulöschen, aber ich bin gescheitert. Der Bernstein hätte ihn genauso vernichtet, wie dich, Asmodeo. Clement war zu stark für mich. Er hat sich von mir losgerissen.“
„Das habe ich gesehen. Aber mach dir keine Vorwürfe. Auch ich bin schon einmal gegen Clement angetreten und habe ihn nur mit Hilfe eines uralten Tricks und mit viel Glück bezwingen können.“
Der Abt drehte das Gesicht auf dem weißen Kopfkissen zur Seite. Seine Augen flackerten unruhig. „Ich habe versucht, die Seele
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