Im Abgrund der Ewigkeit
dem Gesicht der lebendigen Mumie vertieften sich. Sie lächelte. „Selbst wenn du es hier heraus schaffst, werde ich euch folgen. Ich bin eine Königin. Die Königin der Ratten. Ich lasse es nicht zu, dass man mir mein Eigentum stiehlt.“
„Du, eine Königin? Du bist nichts als ein verfluchter Blutsauger, ein dreckiger Vampir. Cecilia gehört dir nicht.“
Die Alte hustete klirrend. Es dauerte, bis ich verstand, dass sie herzlich lachte. „Du verkommenes Monster nennst mich einen Vampir? Meilenweit stehe ich über dir Himmelsbrut! Meine Diener werden dich töten, zerfleischen und bei lebendigem Leib verspeisen. Wenn nicht heute, dann in wenigen Tagen. Ich werde Snowhill dem Erdboden gleichmachen. Meine Ratten werden es überrennen und in meinem Namen jedes Leben dort ausmerzen – als Warnung für alle, die auch nur daran zu denken wagen, sich gegen mich zu erheben.“
Ich sah in ihre leblosen Augen, in ihr steinernes Herz. „Nein“, sagte ich, „wirst du nicht.“
„Nein?“, flüsterte sie. „Niemand kann mich aufhalten. Niemand kann meiner Rache entgehen.“
„Rache“, sinnierte ich. „Rache ist etwas ganz Besonderes. Man sollte sie nie unterschätzen. ...Ich soll dir ganz besondere Grüße überbringen“
„Grüße?“ Die Falten im Gesicht des Vampirs vertieften sich zu Kerben.
„Vor Jahren hast du ein Mädchen hierher verschleppt. Du wolltest dich von ihr mästen. Aber ihr Blut bekam dir nicht. Also hast du die Kleine deinen Ratten vorgeworfen, jedoch nicht zum Fraß. Du hast sie gequält und verkrüppelt. Aber du konntest ihren Willen nicht brechen.“
Der Schimmer einer Erinnerung huschte über die Züge des greisen Monsters.
Ich bewegte den rechten Daumen und legte den Sicherungshebel meiner Waffe um. Ein kleines, fast unhörbares Klicken hallte durch den Raum.
Die Alte begriff nicht sofort. Doch dann öffnete sie ihren zahnlosen Mund, ihre dünnen Lippen formten ein O und ein markerschütterndes Quieken drang aus ihrem ausgemergelten Körper. Sie riss ihre Hände nach oben. Schwarze spitze Krallen blitzten auf. Sie stürzte auf mich zu…
Ich erschoss sie.
Ohne weiter auf sie zu achten, verließ ich den Raum und kehrte zu Johannes, Clement und Arne zurück. Sie hatten Cecilia inzwischen von ihren Fesseln befreit und auf den Boden gebettet. Arne kniete neben ihr und hielt ihren Kopf.
Johannes warf mir einen schnellen Blick zu. „Wo warst du?“
„Ungezieferbeseitigung“, antwortete ich.
8
S chreie hallten durch den Gang. Befehle wurden gebrüllt. Waffen klirrten.
„Oh oh!“, vermeldete Clement trocken. „Wir erhalten Besuch.“
In diesem Moment bogen auch schon drei Rattenmänner um die Ecke. Der Schwung ihrer Bewegung war so heftig, dass es ihnen nicht gelang, anzuhalten. Deshalb versuchten sie, im Rennen auf uns zu schießen. Eine kurze Salve aus der Waffe von Johannes streckte sie nieder.
Die Rufe wurden lauter. Offensichtlich sammelte sich eine größere Anzahl von Kämpfern außerhalb unseres Sichtfeldes.
„Wir haben ein Problem“, sagte Johannes. „Unser Rückzug ist abgeschnitten. Hier wird es bald nur so wimmeln vor echten und unechten Ratten.“
Clement nahm in aller Seelenruhe das Magazin aus seiner Waffe, kontrollierte den Inhalt und machte die Maschinenpistole wieder einsatzbereit. „Ein guter Platz zum Sterben“, antwortete er.
„Aber nicht für uns“, meinte ich. „Nicht heute. Und nicht hier. …Kommt mit!“
Arne, der noch am Boden neben Cecilia kauerte, blickte mich mit tränenfeuchtem Gesicht an. „Das ist doch sinnlos! Cecilia kann nicht fliehen. Sie ist am Ende. Und ich lasse sie nicht nochmals in die Hände dieser Bestien fallen. Geht, ich bleibe bei ihr.“
„Blödsinn“, schnaubte ich und begann ungeduldig, ihn hochzuzerren. „Wir schaffen das.“
Arne stand widerstrebend auf. Gemeinsam mit Johannes hob er den schlaffen Körper von Cecilia an.
„Schnell“, sagte ich und schritt in die Richtung, aus der ich gekommen war.
Johannes und Arne folgten mir mit Cecilia in ihrer Mitte. Clement bildete die Nachhut. Er lief rückwärts und gab uns Deckung. Gelegentlich bellte seine Waffe auf – immer dann, wenn er ein Ziel vor Augen hatte.
Ich fand den unterirdischen Palast exakt so vor, wie ich ihn verlassen hatte: Der Diener noch bewusstlos, der umgestoßene silberne Kelch mit dem verschütteten Blut, die Leiche der Rattenkönigin.
Arne sah sich mit panisch aufgerissenen Augen in dem Raum um. „Wo hast du uns nur
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