Im Abgrund der Ewigkeit
Wasser. Langsam hob er seine Augen. Vor ihm stand ein junger Mann, ganz in schwarz gekleidet. Dessen dunkle Haare glänzten vor Nässe. In seiner Hand hielt er einen großkalibrigen Revolver.
„Herr Hohenberg“, stammelte Cunningham, vollkommen perplex.
„Wo ist sie?“, fragte der Eindringling.
Cunningham räusperte sich, bevor er sich mit einer schnellen Geste die Krawatte zurechtrückte. „Sie müssen das nicht tun. Wir können über alles reden.“
Die Mündung des Revolvers deutete jetzt auf Cunninghams linke Brustseite. „Hier gibt es nichts zu besprechen.“
Cunningham bemühte sich um ein Lächeln. „Herr Hohenberg, Sie wissen vielleicht nicht, wie viel Geld mir zur Verfügung steht. Ich spreche über dreistellige Millionenbeträge.“
„Was soll ich damit?“
Cunningham zwinkerte verschwörerisch. „…Wir könnten es ausgeben. Das Leben genießen… Ich kenne in New York und London ein paar äußerst willige Damen und auch Herren, die uns - wenn die Summe stimmt - nach allen Regeln der Kunst verwöhnen würden.“
Johannes machte den Eindruck, als würde er über Cunninghams Angebot ernsthaft nachdenken. Dann antwortete er: „In New York und London war ich bereits. Und Sex hatte ich auch schon. …Also, wo ist sie?“
Cunninghams Lächeln fror ein. Seine Zungenspitze erschien und befeuchtete nachdenklich die Lippen. Er antwortete nicht, nur seine Augen bewegten sich zu der Tür, hinter der Elisabeths Schlafgemach lag.
Johannes nickte. „Wenn ich wieder herauskomme, und du bist immer noch da, bringe ich dich auch um.“ Er drehte Cunningham den Rücken zu und ging in Richtung der Tür.
Cunningham bewegte sich leise, fast geräuschlos. Er öffnete die Schublade des Sekretärs auf dem sein Laptop stand. Der Perlmuttgriff einer Pistole glänzte silbrig. Er packte die Waffe, drückte die Sicherung nach unten und wollte ihren Lauf auf Johannes‘ Rücken richten.
Cunningham stoppte mitten in der Bewegung. Verwundert stellte er fest, dass Johannes nicht weitergegangen war. Vielmehr stand er nur wenige Schritte von ihm entfernt und zielte mit ausgestrecktem Arm auf ihn.
Cunningham sah das Mündungsfeuer, den Schuss hörte er nicht mehr.
3
I n Elisabeths Schlafzimmer herrschte nahezu vollkommene Dunkelheit. Die Luft roch stickig, ein wenig süßlich – fast, wie nach Verwesung.
Johannes tastete mit der linken Hand über die Seidentapete, fand den Lichtschalter und betätigte ihn. Er hatte die Augen zusammengekniffen, deswegen blendete ihn das Licht kaum.
Teure Möbel, antike Teppiche, Originale an den Wänden. Protzig und geschmacklos.
Auf einem breiten Himmelbett ruhte eine Frau in einem weißen Seidenkleid. Dichtes Haar bedeckte ihr Gesicht.
Johannes spannte seinen Revolver und trat vorsichtig näher.
Der Körper vor ihm lag still. Er bewegte sich nicht.
Johannes streckte den Revolver aus, um mit der Mündung das rabenschwarze Haar beiseite zu schieben. Das Gesicht, das zum Vorschein kam, war eingefallen und nahezu weiß. Umso deutlicher traten die wütendroten Ränder von frischen Narben hervor.
Aus dem Mund der Frau sickerte heller Schaum.
Johannes blickte auf die Hand, die sich tief in das Satinlaken gekrallt hatte. Ein außergewöhnlicher Gelenkring prangte am kleinen Finger. In dessen Mitte stand eine Luke offen, groß genug, um darin eine Dosis Gift zu verbergen. Die Vertiefung war leer.
Johannes betrachtete die Frau genauer. Über ein Auge hatte sich das Lid gesenkt, das andere starrte ihn leblos und stumpf an.
Es schien ihn zu verspotten.
Epilog 1 - Freya
Ü berall auf der Welt waren diese Hotelhallen gleich. New York machte da keine Ausnahme. Indirektes Licht, Glasfronten, Grünpflanzen, Sitzgelegenheiten. Sobald sie hereinkam, stürzten sich die Reporter auf sie. Überdimensionale Objektive unzähliger Kameras starrten ihr entgegen, Lichtblitze blendeten. Sie hörte das Geräusch der Auslöser.
Automatisch stellte sie sich in Pose und lächelte, als wäre sie über die Aufmerksamkeit erfreut. Nach vier Stunden Proben war das wirklich eine Zumutung. Aber es gehörte zum Job.
Morris, ihr Manager, bahnte sich mit Hilfe ihrer Bodyguards einen Weg durch die Fotografen, trat dicht neben sie, öffnete leicht den Mund und zeigte seine Zähne, die ihm ein kleines Vermögen gekostet hatten. „Da bist du ja endlich“, raunte er ihr zu, wobei er sein siegesbewusstes Grinsen beibehielt.
„Wir mussten die Aufnahme dreimal wiederholen“, antwortete
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