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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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Zwielicht konnte ich den sanften Schwung seiner Lippen erkennen, die markanten Linien seines Kinns, den blauschwarzen Schimmer seines Dreitagebartes. Ein magischer Zauber zog mich zu ihm. Unsere Lippen trafen sich wie von selbst und meine Hand fuhr durch sein dichtes Haar. Ich drückte ihn nach hinten, schob mich auf ihn und wir liebten uns, während um uns herum die Welt unterging.
     

 
    24
     
    D ie Wüste hatte sich zu einem sanften Hügelland gewandelt. Unter uns lag ein flacher Bau aus Lehmziegeln, weiß getüncht. Zwei Eingänge, der eine breit genug, um mit einem Wagen hindurchzufahren, der andere schmal, sodass nur eine Person eintreten konnte. Davor ein Platz mit festgestampfter Erde. Eine Art Brunnen mit einem Wasserrad. Ein Esel, auf dem ein Junge in weißer Jacke und Hose saß, ging gemächlich im Kreis um die Wasserstelle. Es quietschte, als das lebensspendende Nass nach oben befördert wurde.
    „Da unten ist niemand, außer dem Kind“, sagte Johannes.
    „Vielleicht ist noch jemand im Haus“, warf ich ein.
    Wir warteten jetzt bereits fast eine Stunde auf dem Hügel. Aber nichts hatte sich an dem Bild, das sich uns dort unten bot, geändert. Nur der Junge und der Esel und das monotone Geräusch des Wasserrades.
    Behutsam schraubte ich unsere Feldflasche auf, setzte sie an und wollte einen kleinen Schluck nehmen. Ein, zwei warme Tropfen fanden ihren Weg in meinen Mund. Das war alles. Unser Vorrat war verbraucht.
    Meine Hände zitterten vor Erschöpfung. Auch Johannes ging es nicht viel besser als mir. Seine Augen glühten stechend in einem eingefallenen Gesicht. Eine dicke Staubschicht bedeckte uns.
    Die Pferde waren ebenfalls am Ende. Apathisch standen sie herum und scharrten müde mit den Hufen. Ab und an hoben sie ihre Köpfe, witterten nach dem Wasser, das sich fast schon in Reichweite befand. Aber eben nur fast. Wir mussten sicher sein, dass wir nicht in eine Falle liefen.
    Die letzten Kilometer unseres Weges hatten sich als wahrhaft mörderisch herausgestellt, verursacht durch die sich verändernde Beschaffenheit des Bodens. Wir hatten den feinen Sand zurückgelassen und waren auf eingetrockneter, sonnenverbrannter Erde zunächst schnell vorangekommen. Aber dann wuchsen kleine steile Hügel in die Höhe, mit vertrockneten Gräsern bewachsen und voller Unebenheiten, die es den Pferden schwer machten, Tritt zu fassen.
    Zunächst hatten wir unsere Geschwindigkeit drosseln müssen, waren dann immer öfter abgestiegen und hatten die Pferde die letzten Stunden schließlich am Zügel geführt, bis wir diese Anhöhe erreichten und von dort aus das weiße Gebäude und den Brunnen entdeckten.
    „Wir können hier noch tagelang warten“, meinte ich, „wenn es wirklich eine Falle ist, werden die dort unten den längeren Atem haben.“
    Johannes nickte.
    „Und je länger wir zögern, desto schwächer werden wir“, führte ich meinen Gedanken zu Ende.
    Johannes bestätigte mit einem erneuten Nicken. „Wir sind vorsichtig gewesen. Wir haben so lange ausgeharrt, wie wir konnten. Aber irgendwann muss man eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung, ob man ein Risiko eingeht, oder nicht.“
    Ich blickte zu ihm hinüber und merkte, wie er lächelte. Er sprach nicht nur davon, dass wir jetzt zu der Wasserstelle reiten sollten.
    „Wir treffen unsere Entscheidungen gemeinsam“, sagte ich. „Ich bin deiner Meinung, also lass uns gehen.“
    Johannes schwang sich in den Sattel seines Schecken und es überraschte mich, wie geschmeidig er sich trotz seiner Müdigkeit bewegen konnte. Ich tat es ihm gleich, wenn auch nicht annähernd so elegant wie er, wobei ich ein leichtes Ächzen nicht unterdrücken konnte.
    Wir mussten unsere Tiere nicht antreiben, sondern eher zügeln. Sie rochen das Wasser inzwischen deutlich, mobilisierten ihre letzten Kräfte und wären wohl im gestreckten Galopp nach unten geprescht, wenn wir sie gelassen hätten.
    Johannes ritt neben mir, kerzengerade im Sattel sitzend, den Hut tief in die Stirn gezogen. Seine Augen suchten unablässig die Umgebung ab. Doch nichts erregte unseren Argwohn. Alles blieb friedlich.
    Als uns der Junge kommen sah, hielt er seinen Esel an. Das Quietschen endete abrupt. Ein leichter Wind kam auf, der leise über das Land blies.
    Der Junge mochte ungefähr zwölf Jahre alt sein. Er hatte dichte schwarze Locken, große braune Augen, und seine Füße steckten in primitiven Sandalen.
    „Hallo Reisende!“, rief er uns zur Begrüßung zu und hob winkend die

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