Im Abgrund der Ewigkeit
die Felsen heran, um vor dem Wind geschützt zu sein, der jetzt mit neuer Heftigkeit auf uns prallte. Heulend und leise zischend fegte er über uns hinweg und führte zahllose harte Eiskristalle mit sich.
Ein schweres Klicken ertönte dicht über uns. Ohne meine Augen heben zu müssen, wusste ich, woher es stammte. Jemand hatte eine Flinte schussbereit gemacht, indem er eine Patrone in den Lauf repetierte.
Ich sah, wie Clement bedächtig und ohne jede Hast beiden Hände auf Schulterhöhe hob. Johannes machte es ihm gleich. Ich nahm meinen breitkrempigen Hut ab, meine Haare wurden noch vom Schal gehalten, den ich mir um den Kopf gewickelt hatte, und legte die Kopfbedeckung vor mir auf den Sattel. Hufe klapperten auf Stein und bald darauf erschien ein einzelner Reiter wie durch Zauberei mitten aus der Wand heraus. Er zügelte sein Pferd mit der linken Hand. In der Rechten hielt er einen Karabiner, dessen Mündung direkt auf uns zielte.
Ich hatte die kurze Zeitspanne genutzt und meine Waffe verstohlen aus dem Holster gezogen, um sie hinter meinem Hut zu verstecken. Ihr Lauf visierte die Brust des Fremden an.
„Hallo“ Die Stimme klang hoch und eher sanft. Sie gehörte einer jungen Frau.
„Was macht ihr in dieser unwirtlichen Gegend?“, fuhr sie fort. Ein langer dunkler Mantel verhüllte sie fast vollständig. Hinzu kam ein dickes Wolltuch, das Sie sich zum Schutz gegen die Kälte um Kopf und Gesicht gewickelt hatte. Ich konnte lediglich ihre blauen Augen ausmachen. Eine ungewöhnliche Energie ging von ihr aus, die ich beinahe körperlich spüren konnte und die mir seltsam vertraut vorkam.
„Wir sind auf dem Weg nach Snowhill“, gab ich zur Antwort.
„Was wollt ihr dort?“, fragte die Frau. Ihr Pferd begann, mit dem Vorderhuf zu scharren. Mit einer energischen Bewegung ihres Zügels brachte sie es zum Stehen. Die Mündung ihres Gewehrs deutete jetzt direkt auf mich. Es wackelte nicht einmal den kleinsten Millimeter.
„Ich bin es nicht gewohnt, mich ausfragen zu lassen“, sagte ich, während ich meinen Fuchs zur Seite zwang, damit ich ein besseres Schussfeld auf die Fremde erhielt.
„Ohne meine Führung gelangt im Winter niemand nach Snowhill“, ließ mich die Frau wissen.
„Ach so? Bist du eine Art Wächterin?“
Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein. Ich warte hier aus einem bestimmten Grund. Es ist uns versprochen worden, dass jemand kommt, der uns hilft. Der uns in unserer Not beisteht.“
Johannes trieb sein Pferd leicht an und zügelte es direkt neben mir. „Nimm dein Gewehr herunter. Dein Warten hat ein Ende.“
Die Frau zögerte. „Du bist der Priester?“
„Ja, der bin ich“, bestätigte Johannes. „Und die zwei anderen sind Lilith und mein Bruder Clement.“
Die Frau hob den Lauf ihres Karabiners an, es knackte wieder metallen, als sie den Hahn in seine Ruherast zurückgleiten ließ. „Warum sagst du das nicht gleich? Beinahe hätte ich euch erschossen!“
„Das glaube ich kaum“, entgegnete ich und setzte meinen Hut auf, womit ich die Sicht auf meinen Revolver freigab, den ich darunter versteckt hatte. Mit ruhigen Bewegungen entspannte auch ich meine Waffe und steckte sie an ihren Platz unter dem Poncho zurück.
Schweigend starrten die Frau und ich uns gegenseitig an.
„Was ist?“, sagte Clement. „Wollen wir hier Wurzeln schlagen? Bald ist es dunkel. Bis dahin sollten wir einen Platz für ein Nachtquartier gefunden haben.“
Die Frau wendete ohne jede Erwiderung ihr Pferd und trieb es zurück in Richtung der Steilwand. Wir folgten ihr. Eine kleine, kaum meterbreite Spalte tat sich vor uns auf. Unsere Führerin ritt hindurch und sofort begann ein Aufstieg für unsere Pferde. Mehrere hundert Meter ging es steil bergan, in einer Art enger Schlucht. Höher und höher kletterten wir hinauf. Dann erreichten wir ein Plateau. Große üppige Tannen schützten uns hier vor dem rauen Wind.
Die Fremde beschleunigte ein wenig, unsere Pferde verfielen in einen leichten Trab. Wie durch Zufall gelangte ich neben sie. Seite an Seite ritten wir dahin.
„Das war gut vorhin“, sprach sie mich an, ohne ihren Kopf zu drehen.
„Du meinst den Trick mit dem Revolver?“, fragte ich. „Wir sind dir ganz plump in die Falle gelaufen und ich wusste nicht, was du vorhattest.“
„Das ist schon in Ordnung“, erwiderte sie. „Wenn man zu vertrauensselig ist, verliert man hier draußen schnell sein Leben.“
„Wie heißt du?“, fragte ich.
Unser Weg führte erneut über Geröll, wir
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