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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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vorderen Teil unserer provisorischen Behausung. Johannes baute aus Steinen eine runde Einfassung und in nicht einmal fünf Minuten prasselte darin ein helles Feuer.
    Clement kam auf mich zu, er hielt den Hasen mit der Linken an den Läufen gepackt. In seiner Rechten blitzte ein schnabelförmiges Messer. Er hockte sich auf den Boden, setzte die Spitze der Klinge auf das Fell. Seine Hände arbeiteten ruhig und planmäßig. In wenigen Sekunden hatte er das Tier fachmännisch gehäutet und ausgenommen.
    Clement bemerkte meinen erstaunten Blick. Er fixierte mich von unten, über das tote Tier gebeugt, das blutige Messer noch in der Hand.
    „Was?“, fragte er.
    „Nichts“, sagte ich. „Das geht nur sehr schnell bei dir. Man könnte meinen, du machst das ständig.“
    In seinen hellgrünen Augen erschien eine Art schwelendes Feuer. Rasch beugte er den Kopf nach vorne und als er ihn wieder hob, war nur noch Leere in seinem Gesicht. „Das war nicht sonderlich schwer. Johannes hat den Hasen sauber getroffen. Das Schwierigste ist immer, die Kopfhaut zu lösen – und die war ja nicht mehr vorhanden.“
    Es gab keinen besonderen Grund, aber seine Worte ließen mir einen Schauer über den Rücken laufen.
    Johannes gesellte sich zu uns. Er hatte einen Stock angespitzt, auf den er den Hasen der Länge nach aufspießte. Mehrere Äste, die er an zwei gegenüberliegenden Seiten des Feuers mit Steinen fixiert hatte, dienten als eine Art Aufhängung. Wir legten den Hasen darüber und ich drehte ihn langsam und bedächtig über der nach oben züngelnden Flamme. Bald erfüllte ein unbeschreiblicher Bratenduft den Unterstand.
    Dennoch blieb Clement nicht beim Feuer. Stattdessen trat er zum Ausgang und wir hörten schabende Geräusche. Als er zurückkam, trug er das Hasenfell über seinem linken Arm. Es sah sauber aus. Keine Gewebe- oder Blutreste waren mehr daran zu erkennen. Erst jetzt setzte er sich zu uns und zog eine altmodische Reisetasche heran, um das Fell hineinzulegen.
    „Diese Tasche“, sagte ich, „ich hatte auch einmal solch einen Koffer.“
    „Ach ja?“, antwortete Clement desinteressiert. „Diesen hier habe ich in der Wüste gefunden.“
    „Da habe ich meinen zurückgelassen.“
    „Was transportierst du eigentlich darin“, erkundigte sich Johannes neugierig. „Du lässt die Tasche nicht aus den Augen.“
    Clement zuckte mit den Schultern. „Nichts Besonderes. Nur Felle.“
    Wieder ergriff mich eine Art lähmendes Entsetzen, aber ich schluckte das Gefühl hinunter.
    „Wie kommt es eigentlich“, fragte ich stattdessen, „dass du dich an die Vergangenheit erinnern kannst, aber Johannes und ich nicht?“
    Clement erwiderte nichts, stand auf, prüfte mit seinen Fingerspitzen unseren Braten, holte sein Messer heraus und schnitt die hinteren Läufe ab. Das Fleisch reichte er Johannes und mir, bediente sich selbst mit einem weiteren Stück von dem Hasen und setzte sich. Er begann zu kauen.
    „Keine Ahnung, warum ihr alles vergessen habt und ich nicht“, sagte er zwischen zwei Bissen. „Ich kann mir das auch nicht erklären.“
    Wir aßen genussvoll, tranken dazu Kaffee und knabberten an unseren harten Keksen.
    Eine bleierne Müdigkeit breitete sich in mir aus.
    Wir machten es uns neben dem Feuer gemütlich. Mein Kopf ruhte auf einem der Sättel. Clement hatte eine Decke um sich gelegt. Johannes häufte noch den Rest der Äste über der Glut auf. Dann wickelte auch er sich in eine Decke und nahm neben mir zwischen unseren Gepäckstücken Platz.
    Ich zog das Medaillon an seiner Kette unter meinem Poncho hervor und betrachtete geistesabwesend das Lichtspiel, das die Diamanten erzeugten.
    „Was ist das eigentlich für ein Medaillon, das du da hast? Hat es eine besondere Bedeutung?“, fragte mich Clement.
    „Keine Ahnung“, antwortete ich. „Aber es ist schön und es gehört mir.“
    „Darf ich es einmal sehen?“
    Eigentlich wollte ich es ihm nicht geben. Aber auf der anderen Seite fand ich für mein Zögern keinen wirklichen Grund und ich wollte auch nicht unhöflich erscheinen. Also streifte ich die Kette umständlich über meinen Kopf und reichte das Schmuckstück an Clement weiter. Dieser öffnete den Deckel. Das Spielwerk war beinahe abgelaufen, nur wenige klagende Töne schwangen durch den Raum. Dann verstummte es.
    „Drinnen sind zwei Bilder.“ Clement beugte sich zum Feuer vor, um besser sehen zu können.
    „Ja. Ein Junge und ein Mädchen. Beide ungefähr zehn Jahre alt.“
    „Und natürlich

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