Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
der Patient immundus und leprosus ist, verliert der Betroffene all sein Vermögen sowie die bürgerlichen Rechte und wird ins Leprosenhaus eingewiesen.
Was aber doch die Kleiderordnung, von der du vorhin gesprochen hast, überflüssig macht!
Keineswegs, denn zu Bettelgängen dürfen die Kranken das Siechenhaus verlassen. Neben der markierten Kleidung, in Wien beispielsweise ein rotes Kreuz in gleichfarbigem Kreis, haben die Kranken mancherorts auch mit einer Holzklapper auf sich aufmerksam zu machen. Das ist der Grund, warum es in vielen Städten, etwa in Aachen, eine Klappergasse gibt, ein eindeutiger Hinweis, dass sich dort ein Leprosenhaus befand.
Wie sehr auch Europa im Mittelalter unter der Lepra zu leiden hatte, führt die Vielzahl bezeugter Leprosenhäuser vor Augen, allein in Frankreich soll es Anfang des 13. Jahrhunderts mehr als 2.000 gegeben haben. Ob Bremen, ob Würzburg, in beinahe jeder Stadt wurde ein Siechenhaus errichtet, in Wien auf der Wieden, in Salzburg im Stadtteil Mülln, und folgt man der Geschichte des Klinikums München-Schwabing, kommt man unweigerlich bei einem Leprosorium mittelalterlicher Prägung an.
Dass die Lepra nicht als Krankheit wie jede andere betrachtet wurde, beweist die Skulptur am gegenüberliegenden Haus. Sie ist gewissermaßen Resultat jener ausdrücklichen Erwähnung des Begriffes „Sondersychen“ in der Stadturkunde. Damit wird die Anstalt, für die Paul Gassler zuständig ist, eindeutig vom Stadtspital unterschieden, das man um 1300 errichtet, die Spitalskirche in der Maria-Theresien-Straße erinnert noch an den ehemaligen Standort. Dabei wäre auch das Spital für den Wirt Gassler ein Betätigungsfeld gewesen, mit Gästen kannte er sich ja aus.
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Hospes und hospitalis, Gast und gastlich, sind die lateinischen Wurzeln für das im 4. Jahrhundert auftauchende Wort Hospital, das anfänglich eine der Barmherzigkeit verpflichtete Einrichtung meint, die allen Bedürftigen offen steht, Armen, Kranken und alten Menschen, vor allem Pilgern. Daher sind die ersten Hospitäler in unseren Breiten entlang der Brennerstraße zu finden, in Bozen, Brixen, Sterzing, aber auch im Stift Wilten war eine Institution dieser Art untergebracht. Anfang 11. Jahrhundert, manchmal auch früher, entstehen in vielen mittelalterlichen Städten von Bruderschaften organisierte Hospitäler, die sehr oft dem Heiligen Geist geweiht sind, so auch die Innsbrucker Einrichtung. In diesen von Mönchen geleiteten Häusern kostet der Aufenthalt nichts, hier leben Witwen und Waisen, alte und arme Menschen mit Pilgern zusammen; Ärzte sucht man vergebens, die Krankenpflege beschränkt sich auf Nächstenliebe. Dennoch, wer wollte ahnen, dass er sich bei einem Spaziergang entlang ehemaliger Stadtspitäler auf einem von Zankäpfeln verminten Gebiet befindet?
Wo genau lag das Innsbrucker Stadtspital?
Ecke Maria-Theresien-Straße – Marktgraben, also wie früher üblich außerhalb der Stadt und jenes Areals, das die einstige Ringmauer umgab. Trotzdem erzählen die ersten Stadtspitäler viel von der Ära des Städteaufbaus und somit auch von der Zeit der Völkerwanderung. Damals verliert zwar ein Großteil der römischen Siedlungen ihre Bedeutung, die vom Imperium errichteten Mauern aber bleiben weiterhin Zufluchtsort für viele Menschen, werden zudem zur Basis zahlreicher Klostergründungen. Hier hat die Geistlichkeit das Sagen und ist mit großem grundherrschaftlichen Besitz ausgestattet, Gütern, auf denen später auch die ersten Hospitäler errichtet und in vielen Fällen zu Klostergemeinschaften umgewandelt werden – Streit kündigt sich an. Denn als das reiche Bürgertum in den aufblühenden Handelsstädten beginnt, sich in die Hospize einzukaufen, um dort seinen Lebensabend zu verbringen, stellt sich plötzlich die Frage nach der Leitung der Spitäler. Die Stadträte drängen vehement darauf, die Kontrolle über die Einrichtungen zu erringen –
Heute wären sie die Kontrolle gerne wieder los!
Ein erstes Zugeständnis des Klerus bringt das Konzil von Vienne im Jahr 1311, bei dem bestimmt wird, dass die unter geistlicher Leitung stehenden Hospitäler einen städtischen Pfleger in den Vorstand nehmen müssen. Das ist nicht nur die Geburtsstunde modernen Klinikmanagements, damit beginnt auch eine Veränderung, die sich bis heute auswirkt, denn das vorher geltende Prinzip der unentgeltlichen Aufnahme hat fortan ausgedient. Spätestens ab dem 15. Jahrhundert werden die Spitäler mehr und mehr zu
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