Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
bürgerlichen Versorgungsanstalten und sind auf jene angewiesen, die fleißig Pluspunkte sammeln, um sich mittels Stiftungen den Jenseitsaufenthalt zu versüßen. Insofern löst sich das Spitalswesens erst in unseren Tagen von der klerikalen Macht, und so mancher Betriebsrat wünscht sich wohl zurück in die Zeit der Angst vorm Fegefeuer, um sein Budget leichter zu konsolidieren. Aber mal angenommen, du würdest im 16. Jahrhundert leben, hättest dir das Bein gebrochen und dich unter Schmerzen ins Hospital geschleppt – der Weg dorthin wäre vergeblich gewesen, Konz Speiser hätte dir das sagen können.
Ich verstehe nicht –
Die Anstellung von festen Hospitalsärzten bleibt noch im späten Mittelalter die Ausnahme, die Beschäftigung eines akademisch ausgebildeten Arztes kostet die Städte ein Vermögen, auch mangelt es an qualifizierten Kräften. Selbst wenn diese vorhanden sind, die Stadträte ein Finanzierungsmodell aus dem Ärmel zaubern, heißt das nicht, dass sie jemanden dafür gewinnen können, in einem Stadtspital zu arbeiten.
Warum das?
Die Ansteckungsgefahr dort ist enorm. Daher werden allerorts die Wundärzte angehalten, sich um die Kranken in den Spitälern zu kümmern. In manchen Städten erklärt man sich sogar bereit, die sonst so verhassten Juden praktizieren zu lassen. Prinzipiell bleiben die Hospitäler aber Pflegeanstalten. In unserer Stadt wird das Spital erst im Jahr 1817 in ein Krankenhaus im heute gebräuchlichen Sinn umgewandelt.
Ich hätte mich also mit meinem gebrochenen Bein zum Handwerkschirurgen oder Bader geschleppt?
Das ist anzunehmen, denn die Wundärzte stellen zu jener Zeit einen Großteil der Stadtärzte. Und wenn es dich beruhigt: Auch die soziale Stellung der Bader wandelt sich mit der Zeit. Ursprünglich werden sie, da sie Kranke, Verwundete und Pflegebedürftige berühren, zu den so genannten „unehrlichen“ Berufen gezählt, dürfen sich daher in keiner Zunft organisieren. Allerdings ist das nicht überall so. In Wien beispielsweise schließen sich die Bader bereits am Beginn des 15. Jahrhunderts zur Zunft zusammen. Grundsätzlich steigt dieser Berufsstand hierzulande, aber auch in der Schweiz und im heutigen Italien rasch zum geschätzten Bürgertum auf.
Ehrlich gesagt, beruhigt mich das in Anbetracht meines gebrochenen Beins nicht wirklich.
Immerhin entwickelte sich das preußische Sanitätswesen aus dem Badertum.
Was soll’s schon heißen! Wie lange dauerte eigentlich die Lehre eines Baders?
In Wien drei Jahre. Danach ist eine ebenso lange Wanderschaft und die Ausübung des Gelernten bei einem Meister unabdingbar, zuletzt noch eine Meisterprüfung nötig. Auf diese folgt dann das Examen an der Wiener Medizinischen Fakultät. Erst wenn der Bader die Prüfung bestanden hat, darf er an die selbstständige Ausübung seines Gewerbes denken. Was bei uns schon einige Jahrzehnte lang Usus ist, wird Mitte des 16. Jahrhunderts auf das gesamte Heilige Römische Reich ausgeweitet: Der Baderberuf erhält das Zunftrecht –
Und wird dem Ärztestand zur ernstzunehmenden Konkurrenz.
Von Ärztestand kann nicht die Rede sein. Aber es stimmt, die akademisch ausgebildeten Ärzte geraten unter Zugzwang, die in Zünften organisierten Handwerkschirurgen und Bader dominieren den Markt. Daher lassen auch die Ärzte nichts unversucht, sich als eigener Stand zu etablieren, eine Entwicklung, die ab dem 16. Jahrhundert einsetzt. Es braucht jedoch gut zweihundert Jahre und bedarf des Gedankenguts der Aufklärung, bis sich der Ärztestand und somit auch der Einfluss der universitären Medizin bei der flächendeckenden Gesundheitsversorgung gegen die anderen Heilberufe behaupten kann.
Ich hätte auch zum Apotheker gehen können, nicht?
Dabei wärst du in ein Haus eingetreten, in dem sich heute noch eine der Apotheken Innsbrucks befindet – unter den Altstadtlauben in der Herzog-Friedrich-Straße 25. Der erste Apotheker in diesem Haus taucht in den Quellen am 7. Jänner 1452 auf, sein Name ist Ludwig Pigloli. Seit 1637 ist dann die Apothekerfamilie Winkler unter den Lauben tätig, die Wurzeln der Familie, die heute noch die Apotheke führt, reichen nach Ebersberg bei München zurück. Interessanter ist aber, welche Arzneien einst in einer Apotheke erhältlich waren. Es gibt da eine Geschäftsabrechnung aus der Zeit Konz Speisers –
Erzähl!
„Grienspan“ ist in Verwendung und Vitriol, ein Kupfersulfat, innerlich als Brechmittel, äußerlich als Ätzmittel in Gebrauch. Auch
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