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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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da –
    Dazu kam es nicht mehr, der 80-Jährige starb in Haft, während Regierung und Landgericht das Geständnis prüften.
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    Hans Hoffman, erzählt das Haus, ist nur für Ehrenstrafen und Kerkerhaft zuständig, nicht aber für das Fällen eines Todesurteils, das ist die Aufgabe des Landrichters. Entscheidet der sich für die Todesstrafe, waltet der Scharfrichter seines Amtes, dann wird gehängt, geköpft und gevierteilt, ganz wie es in der Carolina steht; Hexen und Ketzern ist das Feuer bestimmt.
    Ab und zu stockt Maria auf der Innbrücke unvermittelt der Schritt, meist dann, wenn sie sich am „dritten Joche“ befindet. An diesem Brückenpfeiler werden die Malefizischen dem Landrichter übergeben. Auch fühlt sie sich bisweilen unwohl, denkt sie an die Nähe des Köpfplatzls zu ihrem Haus. Dann ist sie fast ein bisschen froh, dass ihr Hans keine Hinrichtung zu verantworten hat, wobei es sie manchmal furchtbar nervt, ihn trösten zu müssen, das Stadtrichteramt hat an Bedeutung verloren, das hat schon ihr Vater stets beklagt. Und ihr dann stundelang erklärt, dass die Stadtrichter früher im landesfürstlichen Auftrag die Stadt regierten, sechs Geschworene waren ihnen zur Seite gestellt, bald wurden zwölf draus, die sich Stadträte nannten. Erst später kam das Bürgermeisteramt auf und verdrängte das des Stadtrichters aus der führenden Position – die unangenehmen Arbeiten macht kein Bürgermeister, hat ihr Vater gesagt und auf den Tisch gehauen.
    Mit was für einem Gelump er es doch täglich zu tun hat, der Hoffman, erzählt das Haus, die Unzucht schläft nie, stets muss der Hans auf der Hut sein. Gerade vor Wiederholungstätern ist man nie gefeit, solche wie der Hurenwirt Georg Rys laufen da draußen Dutzende herum.
    Rys, erinnert sich Hoffman, hatte einst ohne Genehmigung des Stadtrats eine Frau drei Monate lang im Bordell beherbergt und sie zur Prostitution angehalten, dafür büßte er mit einem Aufenthalt im Turm. Kaum wieder frei, landete er erneut vorm Stadtrichter, weil er die Dirnen bei sich zechen hatte lassen. In den Kräuterturm kam auch die Schirlin Sabine, die unverschämte Kupplerin, ist erst ein paar Jahre her dieser Fall, weiß Hans, und sofort fällt ihm die Willenspochin ein, Maria Catharina ihr Vorname, mehrmals war sie „in iro eingewurzelten unzichtigen Leben“ vergeblich verwarnt worden – da hilft nur der Turm.
    Immer wenn Maria Hoffman über die Innbrücke geht, kommt ihr die Ursula Schleiffer in den Sinn. Die hatte auf eben dieser Brücke – es muss zwei, drei Jahre vor der Hochzeit mit Hans gewesen sein – eine Frau berührt, worauf der Ärmsten ein Geschwür gewachsen war, kurze Zeit später hatte ein Mann über dasselbe Los geklagt. Nun überschlugen sich die Ereignisse und es trat an den Tag, um welch vermaledeites Weib es sich bei Schleifferin handelte. Verheiratet war sie mit dem Ziegelmacher Elias Buecher, Maria weiß das genau, oft hat ihr der Hans diesen Fall geschildert:
    Einer der Knechte Buechers findet in einem von der Schleifferin gebackenen Krapfen einen Büschel Haare und benachrichtigt seinen Herrn, dass der es der Obrigkeit melden kann. Der Elias brüllt den Knecht an, „er welle sein Weib selbst darum strafen und ihr ein Maultaschen geben.“ Bald aber häufen sich die Gerüchte um die Schleifferin, von einem verzauberten Kind ist die Rede, von einem verhexten Pferd, der Ziegelmacher bekommt es mit der Angst –
    Eines Abends sitzt die Familie Buecher gemeinsam bei Tisch, da greift der Sohn des Elias als Erster in die Salatschüssel – ist’s ein Zeichen? Es ist eins, denkt der Ziegelmacher, schleudert die Schüssel zu Boden. Da bringt seine Frau eine Schale mit Spinat – die Szene von vorhin wiederholt sich. Nun will einer der Knechte sich nach dem Spinat bücken, doch Buecher trampelt auf dem Gemüse herum, schreit, er „sehe den lebendig Teufl, der ihne hinwegfiehrn welle.“
    Wenige Tage später wird Anna Buecher, die Schwägerin des Elias, bei den Obrigkeiten vorstellig und sagt aus: Die Schleifferin hat meinen Mann, den Veit, lahm gemacht, ein halbes Jahr später ist er verreckt.
    Zugriff also, die Schleifferin kommt ins Kräuterhaus, erster, zweiter, dritter Grad, sie bekennt, widerruft wieder; Geistliche eilen herbei, exorzieren die knapp 70-Jährige, doch welche Grausamkeiten die Behörden auch anwenden, die Schleifferin schweigt, ist zu keinem Geständnis mehr bereit. Ein solches aber ist Voraussetzung, um zum Feuertod verurteilt zu werden,

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