Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
möglich gewesen. Immer wieder gehen Gerüchte, dies und das wird kolportiert, auch heißt es, unter der Bevölkerung würden ketzerische Bücher kursieren, wer könnte das besser bestätigen als Jacob Stainer.
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Die Familie Stainer stammt aus Gossensass, von wo der Großvater des Geigenbauers nach Absam bei Hall in Tirol übersiedelt. Dort wird um 1619 Jacob Stainer geboren, über seine Kindheit ist wenig bekannt, allerdings beweisen seine erhaltenen Briefe, dass er eine gute Schulbildung genoss. Dennoch – ich habe mich immer gefragt, wie ein Absamer auf die Idee kommen konnte, Geigenbauer zu werden. Er wird seine musikalische Ausbildung als Sängerknabe begonnen und früh Violinunterricht erhalten haben, der Jacob Stainer, Möglichkeiten dazu boten die Musikkapelle des adeligen Damenstifts in Hall oder die Innsbrucker Hofkapelle. Insofern liegt es nahe, Stainers Berufswahl mit der aufblühenden Tiroler Musikkultur in jener Zeit in Zusammenhang zu bringen. Aber egal, was Stainer veranlasst hatte, Geigenbauer zu werden, darüber diskutierten seine Zeitgenossen wenig, für Aufsehen sorgte eher der Vorwurf der Ketzerei, der gegen Stainer erhoben wurde. Vor kurzem bin ich nach Absam gefahren, dort steht noch das Haus, in dem der über Tirol hinaus bekannte Geigenbauer wohnte.
Weit mehr interessiert mich die Häresieanschuldigung!
Stainers Instrumente gelten als Inbegriff barocker Klangschönheit, Zeitgenossen bezeichnen den Absamer als berühmtesten Geigenbauer, sein Name dringt bis nach Spanien vor, wohin er für den Königshof mehrere Instrumente zu liefern hat. Bis um 1800 werden Stainers Violinen jenen aus den Werkstätten der Amati, Stradivari und Guarneri vorgezogen.
Was warf man Stainer vor?
„Gegen Jacob Stainer, den Geigenbauer aus Absam beweisend das Folgende: 1. Dass er über viele Jahre hinweg öffentlich des Irrglaubens verdächtigt wurde. 2. Dass er mit anderen Verdächtigen und Irrgläubigen öffentliche Unterhaltungen pflegte. 3. Dass er häretische Bücher in großer Zahl zurückhielt und darüber klagte, sie bei einer Visitation verloren zu haben. 4. Dass er ebendiese Bücher gelesen und anderen weitergegeben hat, um sie zu verführen. Er habe ihnen nicht nur gestattet, sie zu lesen, sondern sie auch noch dazu überredet. 5. Dass er zeitweise bei Ämtern, Versammlungen, an Festtagen, an Sonntagen und bei nächtlichen Feiern unzähligen anderen jüngeren Leuten in seinem Haus vorgelesen und sich bemüht habe, die Irrlehren zu verbreiten. 6. Dass er gezögert habe, den katholischen Bibeln zu glauben und lieber den Lutherischen Bibeln anhing. 7. Dass Stainer es, abgesehen von täglichen Unterredungen mit Irrgläubigen, gewagt habe, über den Glauben öffentlich mit den Lutherischen zu diskutieren. 8. Dass er gegen den Bischof und den Klerus unziemlich geredet habe, wobei er deren Leben und Sitten nach den schlechteren Fehlern deutete. 9. Dass er geglaubt hat, die Vorschriften der Kirche seien lediglich erlassen worden, um Angst zu schüren. 10. Dass er annahm, man müsse nur Gott allein, nicht aber die Heilige Jungfrau und die anderen Heiligen anrufen. 11. Dass er gesagt habe, Fasten sei sinnlos und es sei völlig ausreichend, wenn wir das, was Gott uns aufgetragen hat, befolgen.“
Und besonders schön ist dieser Anklagepunkt, hör zu!
„12. Dass Stainer viele Einrichtungen, Wallfahrten, Zeremonien und päpstliche Ermahnungen für wertlos halte, weil Gott sagte, dass nicht das, was den Mund betritt, sondern das, was den Mund verlässt, den Menschen verunreinigt.“
Ferner wurde dem Geigenbauer noch vorgeworfen, dass er das Fegefeuer leugne, dass er ein Bildnis Luthers zu Hause aufbewahre –
Hatte er denn wirklich eines zu Hause?
Tatsächlich tauchen bei Hausdurchsuchungen verbotene Werke auf. Doch diese Funde sind leicht erklärbar, Stainer war viel unterwegs, dürfte schon während seiner Lehrzeit in –
Was macht man mit Stainer?
Er wird in den Kräuterturm überstellt, zeigt dort nach mehreren Besuchen des Innsbrucker Pfarrpredigers Einsicht und Reue, sodass den Anklägern eine Strafmilderung gerechtfertigt scheint, kurzum: Stainer hat in Gegenwart mehrerer kirchlicher und weltlicher Zeugen dem vermeintlichen Irrglauben abzuschwören und darf in seine Absamer Werkstatt zurückkehren. Und das muss er auch dringend tun, ein Auftrag nach dem anderen langt bei ihm ein, der Abt des Benediktinerstifts Lambach bestellt ein ganzes Geigenstimmwerk, Anfragen aus Italien, aus Nürnberg, aus
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